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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ich mich am Anfang förmlich durch die Gewächse zwängte, Teile meines Gepäcks, die sich verheddert hatten, einfach zurückließ, daß ich bald aus unzähligen Hautrissen – der Schweiß machte die Wunden brennen – blutete, in meiner Hast oft die Richtung verlor… Ich weiß auch noch, daß ich mich dann eines Augenblicks – todesmutig vielleicht oder auch schon in einem Anfall von Lethargie – zu einer Rast zwang, trotz eines schauerlichen Echsengeschreis über mir in den Wipfeln, und daß ich von da an versuchte, bedächtiger vorzugehen.
    Ich weiß ebenfalls noch, wie ich zu einem Zeitpunkt, als mich die Kräfte verließen, aufgab, einfach liegenblieb, wo ich mich befand. Aber das war gewiß noch kilometerweit von dem Ort entfernt, an dem ich wieder zu mir kam. Ich muß in einer Art Trance weitergekrochen sein. Ich hatte nichts mehr bei mir, was vordem nicht fest mit dem Körper
verbunden gewesen war, und es war mir unmöglich, mich zu erheben. Ich zwang mir ein paar Krümel Konzentrat in den verschwollenen Mund, schlief offenbar abermals ein und taumelte dann, verhältnismäßig klaren Gedankens, doch kaum fähig, ein Bein vor das andere zu setzen, einige hundert Meter weiter, bis ich vor unserem Raumkreuzer stand. Das Riesentreibhaus Neuerde hatte dafür gesorgt, daß die ehemalige Lichtung völlig überwuchert war und nur die geringere Stärke der Stämme auf unser Wirken wies. Das Unterholz wuchs beinahe noch dichter als im Urwald.
    Etliche Wochen war ich nicht mehr im Schiff gewesen. Ich fand untrügliche Anzeichen einer fortschreitenden Korrosion; denn wir hatten natürlich vom Zeitpunkt des allgemeinen Ausstiegs an auf das Aufrechterhalten der Hermetik – bis auf wenige Sektionen – verzichtet.
    Drei Tage verwendete ich dazu, mir im Schiff einen wohnlichen Platz zu suchen. Ich wählte hierfür den kleinen, während der Reise kaum ef fektiv genutzten und deshalb seinerzeit wenig beachteten Kuppelraum, der zudem, weil nicht zentral gelegen, schwer zu erreichen ist. Denn ich hatte schon Furcht, man würde mich zurückholen.
    Ich schleppte mir allerlei Vorräte zusammen; noch gab es im Schiff kleine Depots mit Konserven, Brennstoffen, Kleidung und Gerät. Ich blieb dabei bewußt bescheiden und versuchte, die Entnahme zu vertuschen, um nicht auf meine Anwesenheit hinzudeuten.
    Im klaren über meinen künftigen Status war ich mir dennoch nicht.
    Nur eines wußte ich genau: Ich wollte nicht mehr zurück. Lieber Eremit mit selbsterteiltem Auftrag als nutzlose Lückenbüßerin in einem mitleidigen Kollektiv. Natürlich würde ich eines Tages auf mich gestellt sein, ich würde für Nahrung, Kleidung, kurz, für meinen Unterhalt selbst sorgen müssen. Aber davor fürchtete ich mich in diesen ersten Tagen nicht. Ich hielt mich für geschickt und mittlerweile erfahren genug, das zu pakken. Und ich hatte keine Angst vor dem eigenen Untergang, mit dem ich ja auf alle Fälle unter diesen Umständen rechnen mußte.
    Da ich annahm, man würde mich suchen, bewegte ich mich äußerst vorsichtig. Ich brachte sogar eine der Außenkameras in Gang, und ich betrachtete dies als ein gutes Omen; denn meine technischen Fähigkeiten ließen im allgemeinen arg zu wünschen übrig. Wollte ich überleben – und das wollte ich –, würde ich sie entwickeln müssen.
    Ein wenig enttäuscht war ich schon, als sich auch nach dem dritten Tag niemand am Schiff sehen ließ. Hatte man mich so schnell abgeschrieben? Ich wurde unruhig. Und ich glaube sogar, ich hätte mich – vielleicht aus Geltungsbedürfnis – entdeckt, wenn ein Suchtrupp aufgetaucht wäre…
    Dann mühte ich mich, niedergeschlagen und erst jetzt der Tragweite meiner Handlung bewußt werdend, mich in Gus’ Lage, in die der Zurückgebliebenen hineinzuversetzen. Ich hatte einen Zettel hinterlassen mit dem Satz »Sucht mich nicht!«, damit also dokumentiert, daß ich freiwillig aufgebrochen war. Als selbständiges Mitglied hatte ich der Gesellschaft bekundet, man solle mich nicht suchen. Ein Wunsch also, der zu respektieren wäre.
    Aber natürlich würde man auch heutigentags unter normalen Umständen einen solchen Menschen suchen, zumal einen – bei diesem Gedan ken mußte ich bitter lächeln –, der sich bereits in psychiatrischer Behandlung befunden hatte. Doch die Umstände waren alles andere als normal. Jede Hand wurde gebraucht, jede Maschine. Man wird die Stadt abgesucht haben, vielleicht hat Gus einen Suchtrupp in die nähere Umgebung entsandt. Auf die Idee,

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