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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Dominikaner Arnald von Villanova († 1311) neben der mathematisch-physikalischen Forschung keinerlei schöpferische Bedeutung besitzt.] von ihrer arabischen Form durch Stahl (1660-1734) und dessen Phlogistontheorie. Die eine wie die andre wird reine Analysis. Schon Paracelsus (1493-1541) hatte die magische Tendenz, Gold zu machen, in eine arzneiwissenschaftliche umgewandelt. Man spürt darin ein verändertes Weltgefühl. Robert Boyle (1626-1691) hat dann
die analytische Methode
und damit
den westeuropäischen Begriff des Elements
geschaffen. Aber man täusche sich darüber nicht: was man die Begründung der modernen Chemie nennt, deren Epochen durch die Namen Stahl und Lavoisier bezeichnet werden, ist nichts weniger als eine Ausbildung »chemischer« Gedanken, sofern man darunter alchymistische Naturanschauungen versteht. Sie ist das
Ende
der eigentlichen Chemie, ihre Auflösung in das umfassende System der reinen Dynamik, ihre Einordnung in diejenige mechanische Naturanschauung, welche die Barockzeit durch Galilei und Newton begründet hatte. Die Elemente des Empedokles bezeichnen ein körperliches Sichverhalten, die Elemente der Verbrennungstheorie Lavoisiers (1777), die der Entdeckung des Sauerstoffs (1771) folgte, ein dem
menschlichen Willen
zugängliches Energiesystem. Fest und flüssig werden Bezeichnungen für Spannungsverhältnisse zwischen Molekülen. Durch unsere Analysen und Synthesen wird die Natur nicht nur befragt oder überredet, sondern bezwungen. Die moderne Chemie ist ein Kapitel der modernen
Physik der Tat.
    Was wir Statik, Chemie, Dynamik nennen, historische Bezeichnungen ohne tieferen Sinn für die heutige Naturwissenschaft, sind
die drei physikalischen Systeme der apollinischen, magischen und faustischen Seele,
jedes in seiner Kultur erwachsen, jedes in seiner Geltung auf eine Kultur beschränkt. Dem entsprechen die Mathematiken der euklidischen Geometrie, der Algebra, der höheren Analysis, und die Künste der Statue, der Arabeske, der Fuge. Will man die drei Arten von Physik – denen jede andre Kultur wieder eine andre zur Seite setzen könnte und müßte – nach ihrer Auffassung des Bewegungsproblems unterscheiden, so hat man eine mechanische Ordnung von Zuständen, von geheimen Kräften, von Prozessen.
3
    Nun hat die Tendenz des menschlichen, stets kausal angelegten Denkens, das Naturbild auf möglichst einfache quantitative Formeinheiten zurückzuführen, welche ein kausales Auffassen, Messen, Zählen, kurz mechanische Unterscheidungen gestatten, in der antiken, abendländischen und jeder andern überhaupt möglichen Physik mit Notwendigkeit zu einer Atomlehre geführt. Die indische und chinesische sind uns nur als einst vorhanden bekannt; die arabische ist so kompliziert, daß ihre Darstellung heute noch ganz unmöglich erscheint. Zwischen der apollinischen und faustischen aber besteht ein tiefsymbolischer Gegensatz.
    Die antiken Atome sind
Miniaturformen,
die abendländischen sind
Minimalquanta,
und zwar von Energie; dort ist die Anschaulichkeit, die sinnliche Nähe Grundbedingung des Bildes, hier ist es die Abstraktion. Die atomistischen Vorstellungen der modernen Physik, zu denen auch [Nachdem schon Helmholtz die Erscheinungen der Elektrolyse durch die Annahme einer atomistischen Struktur der Elektrizität zu erklären versucht hatte.] die Elektronentheorie und die Quantentheorie der Thermodynamik gehören, setzen mehr und mehr jene – rein faustische –
innere
Anschauung voraus, die auch auf manchen Gebieten der höheren Mathematik wie den nichteuklidischen Geometrien oder der Gruppentheorie gefordert wird und die dem Laien nicht zur Verfügung steht. Ein dynamisches Quantum ist ein Ausgedehntes abgesehen von jeder sinnlichen Beschaffenheit, das jede Beziehung auf Auge und Tastsinn meidet, für das der Ausdruck Gestalt keinen Sinn besitzt, also etwas, das dem antiken Naturforscher gar nicht vorstellbar ist. Das gilt bereits von den Monaden Leibnizens und dann im höchsten Grad von dem Bilde, das Rutherford von der Feinstruktur der Atome – mit einem Kern von positiver Elektrizität und einem Planetensystem negativer Elektronen – entworfen hat, und das Niels Bohr mit dem elementaren Wirkungsquantum Plancks zu einem neuen Bild vereinigte . [M. Born, Aufbau der Materie (1920), S. 27.] Die Atome des Leukipp und Demokrit waren nach Gestalt und Größe verschieden, rein
plastische
Einheiten also und nur in dieser Auffassung, wie der Name sagt, »unteilbar«. Die Atome der

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