Der Untergang des Abendlandes
norddeutschen Backsteingotik waren eine starke Rasse und ebenso die deutschen Musiker von Heinrich Schütz bis Joh. Seb. Bach. Zur Totemseite gehören der Einfluß der kosmischen Kreisläufe, dessen Bedeutung für die Gestalt der Kunstgeschichte man kaum ahnt und niemals im einzelnen feststellen wird, und die schöpferischen Zeiten des Frühlings und des Liebesrausches, die ganz unabhängig von der Sicherheit der Formgebung über die Formgewalt, die Tiefe der Konzeption einzelner Werke und ganzer Künste entscheiden. Wir verstehen den Formalisten aus Tiefe der Weltangst oder aus Mangel an Rasse und den großen Formlosen aus Überschwang des Blutes oder Mangel an Zucht. Wir verstehen, daß es einen Unterschied gibt zwischen der Geschichte von Künstlern und der von Stilen und daß man die Sprache einer Kunst von Land zu Land tragen kann, die Meisterschaft, sie zu sprechen, aber nicht.
Eine Rasse hat Wurzeln. Rasse und Landschaft gehören zusammen. Wo eine Pflanze wurzelt, da stirbt sie auch. Es hat wohl einen Sinn, nach der Heimat einer Rasse zu fragen, aber man sollte wissen, daß dort, wo die Heimat ist, eine Rasse mit ganz wesentlichen Zügen des Leibes und der Seele auch bleibt. Ist sie dort nicht zu finden, so ist sie nirgends mehr. Eine Rasse wandert nicht. Die Menschen wandern; ihre Geschlechterfolgen werden dann in immer wechselnden Landschaften geboren; die Landschaft erhält eine geheime Gewalt über das Pflanzenhafte in ihnen und endlich ist der Rasseausdruck von Grund aus verändert, der alte erloschen und ein neuer aufgetaucht. Nicht Engländer und Deutsche sind nach Amerika ausgewandert, sondern diese Menschen sind
als
Engländer und Deutsche gewandert; als Yankees sind ihre Urenkel jetzt dort, und es ist seit langem kein Geheimnis mehr, daß der Indianerboden seine Macht an ihnen bewiesen hat: sie werden von Generation zu Generation der ausgerotteten Bevölkerung ähnlicher. Gould und Baxter haben gezeigt, daß Weiße aller Stämme, Indianer und Neger dieselbe durchschnittliche Körpergröße und Wachstumszeit erhalten und zwar so schnell, daß jung eingewanderte Iren (mit einer sehr langen Wachstumszeit) die Macht der Landschaft noch an sich selbst erfahren. Boas hat gezeigt, daß schon die in Amerika geborenen Kinder langköpfiger sizilischer und kurzköpfiger deutscher Juden dieselbe Kopfform haben. Aber das gilt überall und sollte zur größten Vorsicht gegenüber historischen Wanderungen mahnen, von denen wir nur gewisse Namen der Wanderstämme und geringe Sprachreste kennen, wie es in der antiken Vorgeschichte mit Danaern, Etruskern, Pelasgern, Achaiern, Dorern der Fall ist. Für die Rasse dieser »Völker« folgt daraus gar nichts. Was unter den Namen der Goten, Langobarden, Vandalen in die südeuropäischen Länder einströmte, war zuerst ohne Zweifel eine Rasse für sich. Sie war aber schon zur Zeit der Renaissance in die wurzelhaften Rassemerkmale des provenzalischen, kastilischen und toskanischen Bodens vollständig hineingewachsen.
Nicht so die Sprache. Die Heimat einer Sprache bedeutet nur den zufälligen Ort ihrer Bildung, der zu ihrer inneren Form in keiner Beziehung steht. Sprachen wandern, indem sie von Stamm zu Stamm verbreitet und von Stämmen fortgetragen werden. Vor allem werden sie gewechselt und einen
Sprachenwechsel der Rassen
kann man in früher Zeit gar nicht oft genug annehmen. Es ist, um das zu wiederholen, der Formbestand und nicht das Sprechen der Sprache, was man sich aneignet, ebenso wie primitive Bevölkerungen sich unaufhörlich ornamentale Motive aneignen, um sie mit vollkommener Sicherheit als Elemente der eigenen Formensprache zu gebrauchen. Es genügt in frühen Zeiten die Tatsache, daß ein Volk sich als stärker erwiesen hat, oder ein Gefühl, daß dessen Sprache in der Anwendung überlegen ist, um – oft aus wirklicher religiöser Scheu – die eigene Sprache dafür aufzugeben. Man verfolge den Sprachwechsel der Normannen, die in der Normandie, in England, in Sizilien, vor Byzanz immer mit einer andern Sprache erschienen und jedesmal bereit waren, sie wieder gegen eine andere einzutauschen. Die Ehrfurcht vor der Muttersprache, mit dem ganzen sittlichen Gewicht, das an diesem Worte haftet und das immer wieder zu erbitterten Sprachkämpfen führt, ist ein Zug der
späten
abendländischen Seele und dem Menschen andrer Kulturen kaum, dem primitiven gar nicht bekannt. Er wird von unsern Historikern aber stillschweigend überall vorausgesetzt und führt zu einer
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