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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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römischen Hauses, das Existenzzeichen einer zweiten Rasse, findet sich in Pompeji und sogar in den Kaiserpalästen auf dem Palatin. Man entlehnt jede Art von Schmuck und Stil aus dem Orient, aber kein Römer hätte daran gedacht, etwa das syrische Haus nachzuahmen. Und ebensowenig ist die Megaronform von Tiryns und Mykene und die des von Galen beschriebenen altgriechischen Bauernhauses von den Städtebaumeistern des Hellenismus angetastet worden. Das sächsische und das fränkische Bauernhaus haben ihren Wesenskern vom ländlichem Gehöft über das Bürgerhaus der alten freien Reichsstädte bis zu den Patrizierbauten des 18. Jahrhunderts unberührt erhalten, während der gotische, Renaissance-, Barock- und Empirestil darüber hingleiten, an der Fassade und in allen Räumen vom Keller bis zum Dache ihr Wesen treiben, ohne die Seele des Hauses zu beirren. Und dasselbe gilt von den Möbel
formen
, die man psychologisch von ihrer künstlerischen Behandlung sorgfältig trennen sollte. Insbesondere ist die Entwicklung der nordeuropäischen Sitzmöbel bis zum Klubsessel ein Stück Rasse- und nicht etwa Stilgeschichte. Jedes andere Kennzeichen kann über das Schicksal einer Rasse täuschen; der Etruskername unter den Seevölkern, die Ramses III. schlug, die rätselhafte Inschrift von Lemnos, die Wandgemälde in den Gräbern von Etrurien gestatten keinen sicheren Schluß auf den leiblichen Zusammenhang dieser Menschen. Wenn gegen Ende der Steinzeit in dem weiten Gebiet östlich der Karpathen eine hochbedeutende Ornamentik entsteht und andauert, so kann trotzdem Rasse auf Rasse sich hier abgelöst haben. Besäßen wir in Westeuropa aus den Jahrhunderten von Trajan bis Chlodwig nur die Keramik, so würden wir von dem Ereignis der Völkerwanderung nicht das geringste ahnen. Aber das Vorkommen eines Ovalhauses im ägäischen Gebiet, [ Bulle, Orchomenos, S. 26 ff.; Noack, Ovalhaus und Palast in Kreta, S. 53 ff. Die in späterer Zeit noch feststellbaren Hausgrundrisse des ägäisch-kleinasiatischen Gebietes gestatten vielleicht, in den Bevölkerungsstand der vorantiken Zeit Ordnung zu bringen. Die Sprachreste können es nicht.] eines anderen sehr seltsamen Ovalhauses in Rhodesia, [Mediaeval, Rhodesia, London 1906.] die vielbesprochene Übereinstimmung des sächsischen Bauernhauses mit dem libysch-kabylischen verraten ein Stück Rassengeschichte. Ornamente verbreiten sich, wenn eine Bevölkerung sie ihrer Formensprache einverleibt; eine Hausform wird nur mit einer Rasse verpflanzt. Verschwindet ein Ornament, so hat sich nur eine Sprache verändert, verschwindet ein Haustyp,
so ist eine Rasse erloschen
.
    Daraus ergibt sich nun eine notwendige Berichtigung der Kunstgeschichte. Man muß auch in ihrem Verlauf die Rasseseite sorgfältig von der eigentlichen Sprache trennen. Am Anfang einer Kultur erheben sich über das Bauerndorf mit seinen Rassebauten zwei ausgeprägte Formen höheren Ranges als Ausdruck des Daseins und als Sprache des Wachseins,
Burgen und Dome
. [W. Altmann, Die ital. Rundbauten (1906).] In ihnen steigert sich der Unterschied von Totem und Tabu, Sehnsucht und Angst, Blut und Geist zu gewaltiger Symbolik. Die altägyptische, altchinesische, antike, südarabische, abendländische Burg als Sitz von Geschlechterfolgen steht dem Bauernhaus nahe. Sie bleiben beide als Abdruck wirklichen Lebens, Zeugens und Sterbens außerhalb aller Kunstgeschichte. Die Geschichte der deutschen Burgen ist durchaus ein Stück
Rassegeschichte
. An beide wagt sich zwar die frühe Ornamentik heran und verschönert hier das Balkenwerk und dort das Tor oder Treppenhaus, aber sie kann so oder so
gewählt
werden oder überhaupt fehlen. Eine innerlich notwendige Beziehung zwischen Baukörper und Ornament ist nie vorhanden. Der Dom dagegen ist nicht ornamentiert; er
ist ein Ornament
. Seine Geschichte – und ebenso die des dorischen Tempels und aller andern frühen Kultbauten – fällt mit der gotischen Stilgeschichte zusammen und zwar so vollständig, daß es hier wie in allen frühen Kulturen, von deren Kunst wir überhaupt noch etwas wissen, niemandem aufgefallen ist, daß die strenge Architektur, die nichts ist als reine Ornamentik von höchster Art, sich ausschließlich auf den Kultbau beschränkt. Alles was an schönen Bauformen in Gelnhausen, Goslar und der Wartburg erscheint, ist von der Domkunst
herübergenommen
, ist Verzierung und nicht von innerer Notwendigkeit. Eine Burg, ein Schwert, ein Tongefäß können diese Verzierung

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