Der Untergang des Abendlandes
vollständig entbehren, ohne ihren Sinn oder auch nur ihre Gestalt zu verlieren; bei einem Dom oder einem ägyptischen Pyramidentempel läßt sich das nicht einmal vorstellen.
So unterscheiden sich der Bau,
der Stil hat,
von dem,
in welchem
man Stil hat. Denn in Kloster und Dom ist es
der Stein,
welcher Form besitzt und sie den Menschen mitteilt, die in ihrem Dienste stehen, in Bauernhaus und Ritterburg ist es die volle Stärke des bäuerlichen und ritterlichen Lebens, welche aus sich heraus das Gehäuse bildet. Der Mensch und nicht der Stein ist hier das erste, und wenn von einem Ornament auch hier die Rede sein soll, so besteht es in der strengen, gewachsenen, unerschütterlichen
Form der Sitten und Bräuche.
Das wäre der Unterschied von lebendigem und starrem Stil. Aber ebenso wie die Macht dieser lebendigen Form auf das Priestertum hinübergreift und in vedischer wie in gotischer Zeit einen ritterlichen Priestertypus herausbildet, so ergreift die romanisch-gotische
heilige
Formensprache alles, was mit diesem weltlichen Leben in Verbindung steht, Tracht, Waffen, Zimmer und Geräte, und stilisiert ihre Oberfläche. Aber die Kunstgeschichte sollte sich über diese ihr fremde Welt nicht täuschen; es ist die
Oberfläche.
Etwas Neues kommt in den frühen Städten nicht hinzu. Zwischen den Rassehäusern, welche nun Straßen bilden und in ihrem Innern die Einrichtung und Sitte des Bauernhauses treu bewahren, liegt eine Handvoll Kultbauten, welche Stil
haben.
Sie sind weiterhin unbestritten
der Sitz der Kunstgeschichte
und strahlen ihre Form auf Plätze, Fassaden und Innenräume aus. Mögen aus den Burgen Stadtpaläste und Patrizierhäuser, aus dem Palas, der Männerhalle, die Gilden- und Rathäuser geworden sein: sie alle haben keinen Stil, sondern empfangen und tragen ihn. Das echte Bürgertum hat nicht mehr die metaphysische Gestaltungskraft der frühen Religion. Es bildet das Ornament weiter, aber nicht
den Bau als Ornament.
Von hier an, mit der reifen Stadt, zerfällt die Kunstgeschichte in die Geschichte von Einzelkünsten. Das Bild, die Statue, das Haus sind Einzelobjekte der Stilanwendung. Auch die Kirche ist jetzt ein solches Haus. Ein gotischer Dom
ist
Ornament, eine barocke Hallenkirche ist ein Baukörper, der mit Ornamentik überzogen ist. Was der ionische Stil und das Barock des 16. Jahrhunderts vorbereiten, führt die korinthische Ordnung und das Rokoko zu Ende. Hier haben sich Haus und Ornament endgültig und entschieden getrennt, und selbst die Meisterwerke unter den Kirchen und Klöstern des 18. Jahrhunderts können nicht darüber hinwegtäuschen, daß alle diese Kunst weltlich geworden ist, nämlich Verzierung. Mit dem Empire geht der Stil in einen Geschmack über und mit seinem Ende die Baukunst in ein Kunstgewerbe. Damit hat die ornamentale Ausdruckssprache und also die Kunstgeschichte ein Ende gefunden. Aber das Bauernhaus mit seiner unveränderten Rasseform lebt weiter.
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Sieht man vom Rasseausdruck des Hauses ab, so bemerkt man erst die ungeheure Schwierigkeit, dem Wesen der Rasse nahe zu kommen. Nicht ihrem inneren Wesen, ihrer Seele, denn davon redet unser Gefühl deutlich genug. Was ein Mensch von Rasse ist, wissen wir alle auf den ersten Blick. Aber welches sind die Merkmale für unser Empfinden, vor allem fürs Auge, an denen wir Rassen erkennen und unterscheiden? Ohne Zweifel gehört dies zur Physiognomik, so gut wie die Einteilung der Sprachen zur Systematik gehört. Was alles müßte man da aber vor sich haben! Wie vieles geht mit dem Tode, wie vieles weiterhin mit der Verwesung endgültig verloren! Was verrät ein Skelett
nicht,
das einzige, was wir bestenfalls vom vorgeschichtlichen Menschen besitzen? Es ist so gut wie alles. Die prähistorische Forschung ist mit naivem Eifer gleich bereit, von einem Kiefer oder Armknochen Unglaubliches abzulesen, aber man braucht nur an ein Massengrab in Nordfrankreich zu denken, von dem wir
wissen,
daß darin Menschen aller Rassen, Weiße und Farbige, Bauern und Städter, Jünglinge und Männer bestattet sind. Wenn dies die Zukunft nicht aus anderer Quelle weiß, wird sie es durch eine anthropologische Untersuchung sicherlich nicht entdecken. Es können also gewaltige Rasseschicksale über ein Land dahingegangen sein, ohne daß der Forscher an den Skelettresten der Gräber das Geringste davon bemerkt. Der Ausdruck liegt also vorwiegend im
lebendigen
Körper; nicht im Bau der Teile, sondern in ihrer Bewegung, nicht im Gesichtsschädel, sondern in der
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