Der Untergang des Abendlandes
verschiedenen Schädelformen, die Extreme vermittelt durch auf das feinste abgestufte Zwischenformen.« [J. Ranke, Der Mensch (1912), II, S. 205.] Ohne Zweifel lassen sich ideale Grundformen heraussuchen, aber man sollte sich eingestehen, daß es Ideale sind und daß trotz aller objektiven Meßmethoden der Geschmack hier die wirklichen Grenzen zieht und Einteilungen trifft. Viel wichtiger als alle Versuche, ein Ordnungsprinzip zu entdecken, ist die Tatsache, daß innerhalb der einheitlichen Rasse Mensch alle diese Formen von der frühesten Eiszeit an sämtlich vorkommen, sich nicht merklich verändert haben und unterschiedslos sogar in denselben Familien auftreten. Das einzige gesicherte Ergebnis der Wissenschaft ist die Beobachtung Rankes, wonach bei einer Anordnung der Schädelformen in Reihen mit Übergängen gewisse Durchschnittsziffern ein Merkmal nicht der »Rasse«, wohl aber der Landschaft sind.
In der Tat verträgt sich der Rasseausdruck eines Menschenkopfes mit jeder überhaupt denkbaren Schädelform. Das Entscheidende sind nicht die Knochen, sondern das Fleisch, der Blick, das Mienenspiel. Es wird seit der Romantik von einer indogermanischen Rasse gesprochen. Aber gibt es Arier- und Semiten
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Kann man Kelten- und Franken- oder auch nur Buren- und Kaffernschädel unterscheiden? Wenn aber nicht, was für eine Rassegeschichte kann dann ohne irgendein Zeugnis für uns über die Erde gegangen sein, die uns nichts als Knochen aufbewahrt hat? Wie gleichgültig diese für das sind, was wir unter höheren Menschen Rasse nennen, ließe sich durch einen drastischen Versuch zeigen: man beobachte Menschen von den denkbar stärksten Rasseunterschieden durch einen Röntgenapparat und stelle sich dabei geistig auf die »Rasse« ein. Es wird ein geradezu lächerlicher Eindruck sein, wie mit der Durchleuchtung die »Rasse« plötzlich verschwunden ist. Und das wenige, was am Knochenbau bezeichnend bleibt, ist, es muß immer wieder betont werden, ein Gewächs der Landschaft und nicht eine Funktion des Blutes. Elliot Smith hat in Ägypten, v. Luschan auf Kreta ein ungeheures Material aus Gräbern von der Steinzeit bis zur Gegenwart untersucht. Es sind von den »Seevölkern« um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. bis zu den Arabern und Türken immer neue Menschenströme über diese Gebiete gegangen, aber der durchschnittliche Knochenbau blieb unverändert. Die »Rasse« wanderte gewissermaßen als Fleisch über die feststehende Skelettform des Bodens hin. Im Alpengebiet sitzen heute germanische, romanische und slawische »Völker« der verschiedensten Abstammung und man braucht nur den Blick rückwärts zu wenden, um hier immer neue Stämme, darunter Etrusker und Hunnen zu entdecken, aber der Knochenbau ist in der menschlichen Gestalt überall und immer wieder derselbe geworden und verliert sich allenthalben nach dem Flachlande in andere, ebenso feststehende Formen. Deshalb beweisen die berühmten prähistorischen Knochenfunde vom Neandertalschädel bis zum
homo Aurignacensis
für die Rasse und die Rassewanderungen des primitiven Menschen nicht das geringste. Sie zeigen – wenn man von gewissen Schlüssen aus der Gestalt des Kiefers auf die Ernährungsweise absieht – lediglich die Grundform des Landes an, die man heute noch dort findet.
Es ist dieselbe geheimnisvolle Kraft des Bodens, die sich in jedem lebenden Wesen nachweisen läßt, sobald man ein Kennzeichen findet, das von den plump zugreifenden Methoden des darwinistischen Zeitalters nicht abhängig ist. Die Römer haben den Weinstock vom Süden an den Rhein gebracht und er hat sich dort gewiß nicht sichtbar, nämlich botanisch verändert. Aber hier läßt sich die »Rasse« einmal mit andern Mitteln feststellen. Es gibt einen bodenständigen Unterschied nicht nur zwischen Südwein und Nordwein, zwischen Rhein- und Moselwein, sondern auch noch für jede einzelne Lage an jedem einzelnen Berghange. Und dasselbe gilt von jeder edlen Obstrasse, vom Tee und vom Tabak. Dies »Aroma«, ein echtes Produkt der Landschaft, gehört zu den nicht meßbaren und deshalb um so bedeutungsvolleren Merkmalen echter Rasse. Edle Menschenrassen unterscheiden sich aber in ganz derselben geistigen Weise wie edle Weine. Ein gleiches Element, das sich nur dem zartesten Nachfühlen erschließt, ein leises Aroma in jeder Form verbindet unterhalb aller hohen Kultur in Toskana die Etrusker mit der Renaissance, am Tigris die Sumerer von 3000, die Perser von 500 und die anderen Perser
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