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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Miene. Aber wie vieles an möglichem Rasseausdruck ist selbst für die schärfsten Sinne heutiger Menschen vorhanden? Wie vieles hören und sehen wir
nicht?
Für was fehlt uns, sicherlich im Unterschied von vielen Tierarten, überhaupt das Sinnesorgan?
    Die Wissenschaft im darwinistischen Zeitalter hat sich die Frage leicht gemacht. Wie flach, wie plump, wie mechanistisch ist der Begriff, mit dem sie arbeitet! Er umfaßt erstens eine Summe grobsinnlicher Merkmale, soweit sie im anatomischen Befunde, also auch an Leichen festzustellen sind. Vom Beobachten des Körpers, insofern er lebt, ist nicht die Rede. Und zweitens untersucht man nur Kennzeichen, die sich einem sehr wenig feinen Auge aufdrängen, und nur, insofern sie sich messen und zählen lassen. Das Mikroskop gibt den Ausschlag, nicht das Taktgefühl. Wenn man die Sprache als unterscheidendes Merkmal heranzieht, so denkt niemand daran, daß es menschliche Rassen nach der Art des
Sprechens
gibt und nicht nach dem grammatischen Bau der
Sprache,
der auch nur ein Stück Anatomie und System ist. Daß die Erforschung dieser
Sprechrassen
eine der wichtigsten Aufgaben der Forschung sein könnte, ist überhaupt noch nicht bemerkt worden. In Wirklichkeit wissen wir alle als Menschenkenner aus täglicher Erfahrung, daß die Art des Sprechens einer der bezeichnendsten Rassezüge heutiger Menschen ist. Die Beispiele dafür sind unübersehbar und jedem in großer Zahl bekannt. In Alexandria sprach man dasselbe Griechisch nach sehr verschiedener Rasseart aus. Wir sehen es heute noch an der Schreibweise der Texte. In Nordamerika sprechen die im Lande Geborenen ohne Zweifel völlig gleich, ob es nun das Englische, Deutsche oder gar Indianische ist. Was ist im Sprechen osteuropäischer Juden Rassezug der Landschaft und also auch im Russischsprechen der Russen vorhanden, was ein Rassezug des Blutes und also den Juden unabhängig vom Wohngebiet ihrer Wirtsvölker beim Sprechen aller ihrer europäischen »Muttersprachen« gemeinsam? Wie verhält es sich hier im einzelnen mit der Lautbildung, der Betonung, der Wortstellung?
    Aber die Wissenschaft hat nicht einmal bemerkt, daß Rasse bei wurzelnden Pflanzen und beweglichen Tieren nicht das gleiche ist, daß mit der mikrokosmischen Lebensseite eine Gruppe von Zügen neu auftritt und zwar die für tierisches Wesen entscheidende. Sie sehen nicht, daß »Menschenrassen«
innerhalb der einheitlichen Rasse »Mensch«
wieder etwas völlig anderes sind. Sie reden von Anpassung und Vererbung und verderben also durch eine seelenlose Kausalverkettung von Oberflächenzügen, was hier der Ausdruck des Blutes und dort die Macht des Bodens über das Blut ist, Geheimnisse, die man nicht sehen und messen, sondern nur von Auge zu Auge erleben und fühlen kann.
    Sie sind nicht einmal über den Rang der Oberflächenmerkmale untereinander einig. Blumenbach hat die Rassen nach Schädelformen, Friedrich Müller ganz deutsch nach Haar und Sprachenbau, Topinard echt französisch nach Hautfarbe und Nasenform, Huxley echt englisch sozusagen sportsmäßig eingeteilt. Das letzte wäre an sich ohne Zweifel sehr zweckmäßig, aber ein Pferdekenner würde ihm sagen, daß man mit einer Gelehrtenterminologie keine Rasseeigenschaften trifft. Diese Rassesteckbriefe sind sämtlich ebenso wertlos wie die, an welchen ein Schutzmann seine theoretische Menschenkenntnis erprobt.
    Von dem Chaotischen im Gesamtausdruck des menschlichen Leibes macht man sich offenbar keine Vorstellung. Abgesehen vom Geruch, der z. B. für den Chinesen ein charakteristisches Kennzeichen der Rasse bildet, und vom Gehör, welches im Sprechen, Singen und vor allem im Lachen gefühlsmäßig tiefe Unterschiede feststellt, die keiner wissenschaftlichen Methode zugänglich sind, ist der Bildbefund fürs Auge so verwirrend reich an wirklich sichtbaren und an für den tieferen Blick sozusagen fühlbaren Einzelheiten, daß an eine Zusammenfassung nach wenigen Gesichtspunkten gar nicht zu denken ist. Und alle diese Seiten und Züge im Bilde sind unabhängig voneinander und haben ihre eigene Geschichte. Es gibt Fälle, wo der Knochenbau und vor allem die Schädelform sich vollkommen verändern, ohne daß der Ausdruck der Fleischteile, also des Gesichtes, anders würde. Die Geschwister ein und derselben Familie können fast alle unterscheidenden Merkmale nach Blumenbach, Müller und Huxley darstellen und ihr lebendiger Rasseausdruck ist doch für jeden Beobachter völlig der gleiche. Noch viel häufiger ist

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