Der Untergang des Abendlandes
den sinnlosen Begriff Geistesadel erfunden haben.] obwohl sie mit den andern vielleicht in engster Blutsverwandtschaft stehen. Ein starkes Seelentum züchtet den Leib wie ein Kunstwerk heran. Die Römer bilden, mitten in dem italischen Wirrwarr der Stämme und selbst von verschiedenartigster Herkunft, eine Rasse von der allerstrengsten inneren Einheit, die weder etruskisch noch latinisch oder allgemein »antik«, sondern ganz spezifisch römisch ist. [Obwohl gerade in Rom die Freigelassenen, also in der Regel Menschen ganz fremden Blutes, das Bürgerrecht erhalten und schon der Zensor Appius Claudius (310) Söhne ehemaliger Sklaven in den Senat aufnahm. Einer von ihnen, Flavius, ist damals sogar kurulischer Ädil geworden.] Wenn man irgendwo die Stärke eines Volkstums vor Augen sehen kann, so ist es an den Römerbüsten der letzten republikanischen Zeit.
Als Beispiel nenne ich noch die Perser. Es gibt kein stärkeres für die Irrtümer, welche diese gelehrten Vorstellungen von Volk, Sprache und Rasse nach sich ziehen mußten. Hier liegt auch der letzte und vielleicht entscheidende Grund, weshalb der Organismus der arabischen Kultur bis heute nicht erkannt worden ist. Persisch ist eine arische Sprache, also sind »die Perser« »ein indogermanisches Volk«. Also sind persische Geschichte und Religion ein Thema der »iranischen« Philologie.
Zunächst: Ist das Persische eine dem Indischen gleichgeordnete Sprache, von einer gemeinsamen Ursprache stammend,
oder nur ein indischer Dialekt?
700 Jahre schriftloser, also schnellster Sprachentwicklung liegen zwischen dem Altvedischen der indischen Texte und den Behistun-Inschriften des Darius. Nicht größer ist der Abstand zwischen dem Latein des Tacitus und dem Französischen der Straßburger Eide (842). Nun kennen wir aber aus der Mitte des 2. Jahrtausends – also aus vedischer Ritterzeit – durch die Amarnabriefe und das Archiv von Boghazköi zahlreiche »arische« Personen- und Götternamen, und zwar in Syrien und Palästina. Indessen Ed. Meyer [Die ältesten datierten Zeugnisse der iranischen Sprache, Zeitschr. f. vgl. Sprachf. 42, S. 26.] bemerkt, daß diese Namen indisch und nicht persisch sind, und dasselbe gilt von den jetzt entdeckten Zahlworten. [Vgl. Bd. II, S. 735.] Von Persern ist keine Rede, noch weniger von einem »Volk« im Sinne unserer Historiker. Es waren indische Helden, die nach Westen ritten [Vgl. Bd. II, S. 736, Anm. 2.
H. K.
] und mit ihrer kostbaren Waffe, dem Reitpferde, und ihrem Tatendrang allenthalben in der alternden babylonischen Welt eine Macht bedeutet haben.
Seit 600 erscheint mitten in dieser Welt die kleine Landschaft Persis mit einer politisch geeinigten bäuerlich-barbarischen Bevölkerung. Herodot berichtet, daß von ihren Stämmen nur drei eigentlich persischer Nationalität gewesen seien. Hat sich die Sprache jener Ritter in diesem Gebirge erhalten und ist »Perser«
ein Landname,
der auf ein Volkstum überging? Auch die sehr ähnlichen Meder tragen nur den Namen eines Landes, dessen kriegerische Oberschicht sich durch große politische Erfolge als Einheit fühlen gelernt hat. In den assyrischen Urkunden Sargons und seiner Nachfolger (um 700) finden sich neben den nichtarischen Ortsnamen zahlreiche »arische« Personennamen, durchweg von führenden Männern, aber Tiglat Pileser IV. (745–727) nennt das Volk schwarzhaarig. [Ed. Meyer a. a. O., S. 1 ff.] Das »persische Volk« des Kyros und Darius kann sich erst von da an aus Menschen verschiedener Herkunft, aber aus einer starken Einheit des Erlebens heraus gebildet haben. Als die Makedonier aber kaum zwei Jahrhunderte später ihre Herrschaft auflösten – waren da »die Perser« in dieser Form
überhaupt noch vorhanden?
Gab es um 900 in Italien wirklich noch ein langobardisches Volk? Es ist sicher, daß die weithin verbreitete persische Reichssprache und die Verteilung der wenigen tausend erwachsenen Männer aus Persis über den ungeheuren Kreis von militärischen und Verwaltungsaufgaben das Volkstum längst aufgelöst und an seine Stelle als Träger des persischen Namens eine sich als
politische Einheit
fühlende Oberschicht gesetzt hatten, von deren Ahnen nur sehr wenige aus Persis sein konnten. Ja – es gibt nicht einmal ein Land, das man als den Schauplatz der persischen Geschichte bezeichnen kann. Was sich von Darius bis auf Alexander ereignet, hat seinen Ort teils im nördlichen Mesopotamien, also unter einer aramäisch sprechenden Bevölkerung, teils im alten Sinear,
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