Der Untergang des Abendlandes
etruskisch, und das Etruskische indogermanisch – so würde daraus für die Sprachgeschichte manches, für die Rassegeschichte gar nichts folgen. Rom ist eine Etruskerstadt. Ist das nicht für die
Seele
des römischen Volkes gleichgültig? Sind die Römer deshalb Indogermanen, weil sie zufällig einen lateinischen Dialekt sprachen? Die Ethnographen kennen eine mittelländische und eine Alpenrasse und südlich und nördlich davon eine auffallende leibliche Verwandtschaft zwischen Nordgermanen und Libyern, aber die Philologen wissen, daß die Basken ihrer Sprache wegen der Rest einer »vorindogermanischen« – iberischen – Bevölkerung sind. Beide Meinungen schließen sich aus. Waren die Erbauer von Mykene und Tiryns »Hellenen«? Man könnte ebenso fragen, ob die Ostgoten Deutsche gewesen sind. Ich gestehe, daß ich solche Fragestellungen nicht begreife.
Für mich ist »Volk« eine
Einheit der Seele
. Alle großen Ereignisse der Geschichte sind nicht eigentlich von Völkern ausgeführt worden,
sondern haben Völker erst hervorgerufen
. Jede Tat verändert die Seele des Handelnden. Mag man sich zuerst um einen berühmten Namen geschart haben, – daß hinter seinem Klange nicht ein Haufe, sondern ein Volk steht, das ist die Wirkung und nicht die Voraussetzung großer Ereignisse. Erst durch ihre Wanderschicksale sind Goten und Osmanen geworden, was sie später waren. »Die Amerikaner« sind
nicht
aus Europa eingewandert; der Name des florentinischen Geographen Amerigo Vespucci bezeichnet heute zunächst einen Erdteil, aber außerdem ein echtes Volk, das durch die seelische Erschütterung von 1775 und vor allem durch den Sezessionskrieg von 1861–65 seine Eigenart erhalten hat.
Einen anderen Inhalt des Wortes Volk gibt es nicht. Weder die Einheit der Sprache noch der leiblichen Abstammung ist entscheidend. Was ein Volk von einer Bevölkerung unterscheidet, es aus dieser abhebt und wieder in ihr aufgehen läßt, ist stets das innere Erlebnis des »Wir«. Je tiefer dieses Gefühl, desto stärker ist die Lebenskraft des Verbandes. Es gibt energische, matte, flüchtige, unverwüstliche Völkerformen. Sie können Sprache, Rasse, Namen und Land wechseln; solange ihre Seele dauert, eignen sie sich Menschen jeder denkbaren Herkunft innerlich an und formen sie um.
Der römische Name bezeichnet zur Zeit Hannibals ein Volk, zur Zeit Trajans nur noch eine Bevölkerung.
Wenn trotzdem mit vielem Rechte Völker und Rassen zusammengestellt werden, so ist damit nicht der heute übliche Rassebegriff der darwinistischen Zeit gemeint. Man glaube doch nicht, daß je ein Volk durch die bloße Einheit der leiblichen Abstammung zusammengehalten wurde und diese Form auch nur durch zehn Generationen hätte wahren können. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß diese physiologische Herkunft nur für die Wissenschaft und niemals für das Volksbewußtsein vorhanden ist und daß kein Volk sich je für
dieses
Ideal des »reinen Blutes« begeistert hat. »Rasse haben« ist nichts Stoffliches, sondern etwas Kosmisches und Gerichtetes, gefühlter Einklang eines Schicksals, gleicher Schritt und Gang im historischen Sein. Aus einem Mißverhältnis dieses ganz metaphysischen Taktes entspringt der Rassehaß, der zwischen Franzosen und Deutschen nicht weniger stark ist als zwischen Deutschen und Juden, und aus dem gleichen Pulsschlag andererseits die wirkliche, dem Haß verwandte Liebe zwischen Mann und Weib. Wer keine Rasse hat, der kennt diese gefährliche Liebe nicht. Wenn ein Teil der Menschenmasse, die sich heute indogermanischer Sprachen bedient, einem gewissen Rasseideal sehr nahe steht, so deutet das auf die metaphysische Kraft dieses Ideals, das züchtend wirkte; und nicht auf ein »Urvolk« im gelehrten Geschmack. Es ist doch von höchster Bedeutung, daß dieses Ideal niemals in der gesamten Bevölkerung, sondern vorwiegend in ihrem kriegerischen Element und vor allem dem echten Adel ausgeprägt ist, also unter den Menschen, welche ganz in einer Tatsachenwelt, im Banne geschichtlichen Werdens leben, Schicksalsmenschen, die etwas wollen und wagen, obwohl gerade in früher Zeit die Aufnahme in den Herrenstand einem Stammfremden von äußerem und innerem Range nicht schwer fiel und zumal die Weiber nach ihrer »Rasse« und gewiß nicht ihrer Abstammung gewählt worden sind. Am schwächsten sind die Rassezüge gleich daneben, wie man heute noch beobachten kann, in den echten Priester- und Gelehrtennaturen ausgeprägt, [Die eben deshalb
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