Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
Vom Netzwerk:
jedenfalls nicht in Persis, wo die von Xerxes begonnenen Prachtbauten gar nicht fortgesetzt worden sind. Die Parther waren ein mongolischer Stamm, der eine persische Mundart angenommen hatte und inmitten dieser Bevölkerung das persische Nationalgefühl in sich zu verkörpern suchte.
    Hier erscheint neben der persischen Sprache und Rasse nun auch die Religion als Problem. [Zum folgenden vgl. Bd. II, Kap. III.] Die Forschung hat sie mit jenen zusammengebracht, als ob das selbstverständlich wäre, und also in beständiger Beziehung auf Indien behandelt. Aber die Religion jener Landwikinger war mit der vedischen nicht verwandt, sondern identisch, wie die Götterpaare Mitra-Varuna und Indra-Nasatya der Boghazköi-Texte beweisen. Und innerhalb dieser mitten in der babylonischen Welt aufrecht erhaltenen Religion erscheint nun Zarathustra als Reformator aus dem unteren Volke. Daß er kein Perser war, ist bekannt. Was er schuf – ich hoffe das noch nachzuweisen – war die Überführung der
vedischen
Religion in die Formen
des aramäischen Weltdenkens,
in welchem sich ganz leise schon die magische Religiosität vorbereitet. Die
daevas,
die Götter des altindischen Glaubens, werden zu den Dämonen des semitischen, den
dschins
der Araber. Jahwe und Beelzebub stehen sich nicht anders gegenüber als Ahura Mazda und Ahriman in dieser durch und durch aramäischen, also aus einem sittlich-dualistischen Weltgefühl entsprungenen Bauernreligion. Ed. Meyer hat [Geschichte des Altertums, I, § 590 f.] den Unterschied zwischen indischer und »iranischer« Weltanschauung durchaus richtig gezeichnet, ihn seinem Ursprung nach infolge der falschen Voraussetzungen aber nicht erkannt.
Zarathustra ist ein Weggenosse der israelitischen Propheten
, welche den mosaisch-kananäischen Volksglauben ebenso und gleichzeitig umgewendet haben. Es ist bezeichnend, daß die gesamte Eschatologie ein Gemeinbesitz der persischen und jüdischen Religion ist und daß die Awestatexte zur Partherzeit ursprünglich aramäisch geschrieben und dann erst in Pehlewi übertragen worden sind. [Andreas und Wackernagel, Nachrichten der Göttingischen Gesellschaft der Wissenschaften (1911), S. 1 ff.]
    Aber schon in der Partherzeit hat sich bei Persern wie bei Juden jene tief innerliche Wandlung vollendet, welche den Begriff der Nation nicht mehr nach der Stammeszugehörigkeit, sondern der Rechtgläubigkeit bestimmt. [ Siehe weiter unten.] Ein Jude, der zum Mazdaglauben übertrat,
ist damit Perser geworden
; ein Perser, der Christ wurde, gehört dem nestorianischen »Volke« an. Die sehr starke Bevölkerung des nördlichen Mesopotamiens – des Mutterlandes der arabischen Kultur – ist teils jüdischer, teils persischer Nation in diesem Sinne, der mit Rasse nichts und mit Sprache wenig zu tun hat. »Der Ungläubige« ist schon zur Zeit von Christi Geburt die Bezeichnung für den Nichtperser wie für den Nichtjuden.
    Diese
neue
Nation ist das »persische Volk« des Sassanidenreiches. Damit hängt es zusammen, daß Pehlewi und Hebräisch gleichzeitig aussterben und das Aramäische die Muttersprache beider Gemeinschaften wird. Will man die Bezeichnungen Arier und Semiten verwenden, so waren die Perser zur Zeit der Amarnabriefe Arier, aber kein »Volk«, zur Zeit des Darius ein Volk, aber ohne Rasse, zur Sassanidenzeit eine Glaubensgemeinschaft, aber von semitischer Abstammung. Es gibt weder ein persisches Urvolk, das sich von einem arischen abgezweigt hätte, noch eine persische Gesamtgeschichte; und es läßt sich nicht einmal für die drei Einzelgeschichten, welche lediglich durch gewisse Sprachbeziehungen zusammenhängen, ein einheitlicher Schauplatz angeben.
17
    Damit ist endlich der Grund zu einer
Morphologie der Völker
gelegt. Sobald man ihr Wesen kennt, entdeckt man auch eine innere Ordnung im Völkerstrom der Geschichte. Völker sind weder sprachliche noch politische noch zoologische, sondern seelische Einheiten. Aber gerade auf Grund dieses Gefühls unterscheide ich nun
Völker vor, innerhalb und nach einer Kultur
. Es ist eine von jeher tief empfundene Tatsache, daß Kulturvölker etwas Bestimmteres sind als andere. Was vorauf geht, nenne ich
Urvölker
. Das sind jene flüchtigen und verschiedenartigen Verbände, die sich ohne erkennbare Regel im Wandel der Dinge bilden und lösen, die zuletzt im Vorgefühl einer noch ungeborenen Kultur, etwa in vorhomerischer, vorchristlicher und germanischer Zeit, in ganzen Schichten von immer deutlicherem Typus die

Weitere Kostenlose Bücher