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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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»griechische« – Bevölkerung von Cypern, angeblich 240000 Menschen, niedergemacht wurde. Nisibis ist damals in einer vielbewunderten Belagerung von Juden verteidigt worden. Das kriegerische Adiabene war ein Judenstaat. In allen Parther- und Perserkriegen gegen Rom haben die bäuerlich-ritterlichen Aufgebote der mesopotamischen Juden in der ersten Linie gefochten.
    Aber nicht einmal Byzanz hat sich dem Geiste der arabischen Feudalzeit ganz entziehen können, die unter einer Schicht spätantiker Verwaltungsformen namentlich im Innern Kleinasiens zur Entstehung eines echten Lehnswesens führte. Es gab da mächtige Geschlechter, deren Vasallentreue unzuverlässig war und die alle den Ehrgeiz hatten, den byzantinischen Thron in ihren Besitz zu bringen. »Anfänglich an die Hauptstadt gebunden, die nur mit Erlaubnis des Kaisers verlassen werden durfte, saß dieser Adel später auf seinen weitgedehnten Domänen in der Provinz und bildete seit dem 4. Jahrhundert als Provinzaristokratie einen wirklichen Stand, der im Laufe der Zeit für sich eine gewisse Unabhängigkeit von der kaiserlichen Macht beanspruchte.« [Roth, Sozial- und Kulturgesch. d. Byzant. Reiches, S. 15.]
    Das »römische Heer« hat sich im Osten in weniger als zwei Jahrhunderten aus einer modernen Armee in ein Ritterheer zurückverwandelt. Die römische Legion ist durch die Maßnahmen der Severer um 200 verschwunden. [Delbrück, Geschichte der Kriegskunst II, S. 222.] Im Westen sanken sie zu Horden herab; im Osten entstand im 4. Jahrhundert ein spätes, aber echtes Rittertum. Den Ausdruck gebraucht schon Mommsen, ohne seine Tragweite zu erkennen. [Gesammelte Schriften IV, S. 532.] Der junge Adlige erhielt eine sorgfältige Ausbildung im Einzelkampf, zu Pferde, mit Bogen und Lanze. Kaiser Gallienus, der Freund Plotins und Erbauer der Porta Nigra, eine der bedeutendsten und unglücklichsten Erscheinungen aus der Zeit der Soldatenkaiser, bildete um 260 aus Germanen und Mauren eine neue Art von berittener Truppe, seine Gefolgstreuen. Es ist bezeichnend, daß in der Religion des römischen Heeres die alten Stadtgottheiten zurücktreten und unter den Namen des Mars und Herkules die germanischen Götter des persönlichen Heldentums an die Spitze gelangen. [A. v. Domaszewski, Die Religion des römischen Heeres, S. 49.] Die
palatini
Diokletians sind nicht ein Ersatz für die von Septimius Severus aufgelösten Prätorianer, sondern ein kleines wohldiszipliniertes Ritterheer, während die
comitatenses
, das große Aufgebot, in
numeri
, »Fähnlein« geordnet werden. Die Taktik ist die einer jeden Frühzeit, welche auf persönliche Tapferkeit stolz ist. Der Angriff erfolgt in der germanischen Form des Gevierthaufens (»Eberkopfes«). Unter Justinian ist das der Zeit Karls V. genau entsprechende System der Landsknechte voll ausgebildet, die von Kondottieri [
buccellarii
, Delbrück II S. 354.] in der Art Frundsbergs angeworben werden und unter sich Landsmannschaften bilden. Der Zug des Narses wird von Prokop [Gotenkrieg IV, 26.] ganz wie die großen Werbungen Wallensteins beschrieben.
    Aber daneben erscheint in diesen frühen Jahrhunderten auch eine prachtvolle Scholastik und Mystik magischen Stils, die an den berühmten Hochschulen des gesamten aramäischen Gebiets zu Hause ist: den persischen von Ktesiphon, Resain, Dschondisabur, den jüdischen von Sura, Nehardea und Pumbadita, denen anderer »Nationen« von Edessa, Nisibis, Kinnesrin. Hier sind die Hauptsitze einer blühenden Astronomie, Philosophie, Chemie und Medizin, aber nach Westen hin wird diese große Erscheinung durch die Pseudomorphose verdorben. Was magischen Ursprungs und Geistes ist, geht zu Alexandria und Beirut in die Formen griechischer Philosophie und römischer Rechtswissenschaft über; es wird in antiken Sprachen niedergeschrieben, in fremde und längst erstarrte Literaturformen gepreßt und durch die greisenhafte Denkweise einer ganz anders angelegten Zivilisation verfälscht. Damals und nicht mit dem Islam beginnt die arabische Wissenschaft. Aber weil unsere Philologen nur das entdeckten, was in spätantiker Fassung in Alexandria und Antiochia erschien, und von dem ungeheuren Reichtum der arabischen Frühzeit und den wirklichen Mittelpunkten ihres Forschens und Schauens nichts ahnten, konnte die absurde Meinung entstehen, »die Araber« seien geistige Epigonen der Antike gewesen. In Wirklichkeit ist so gut wie alles, was – von Edessa aus gesehen – jenseits der Philologengrenze dem heutigen

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