Der Untergang des Abendlandes
höchste nationale Form zusammengefaßt hat. Das Opfer für den Kaiser ist das vornehmste
Sakrament
dieser Kirche; es entspricht durchaus der christlichen Taufe, und man versteht, was die Forderung und Verweigerung dieser Akte in den Zeiten der Verfolgung symbolisch zu bedeuten hatte.
Alle
diese Kirchen besitzen Sakramente: heilige Mahlzeiten wie den Haomatrank der Perser, das Passah der Juden, das Abendmahl der Christen, ähnliche für Attis und Mithras; die Taufriten der Mandäer, der Christen, der Isis und Kybeleverehrer. Man könnte deshalb die einzelnen Kulte der Heidenkirche fast als Sekten und Orden bezeichnen und würde für das Verständnis ihrer scholastischen Kämpfe untereinander und die gegenseitige Proselytenmacherei damit viel gewonnen haben.
Alle echt antiken Mysterien wie die von Eleusis und die, welche von den Pythagoräern um 500 in unteritalischen Städten begründet worden waren, sind an den Ort gebunden und durch einen sinnbildlichen Vorgang bezeichnet. Innerhalb der Pseudomorphose lösen sie sich vom Orte; sie können überall, wo Eingeweihte beisammen sind, vollzogen werden und haben nun das Ziel der magischen Ekstase und eines asketischen Lebenswandels: aus den Besuchern der Mysterienstätte hat sich ein Orden entwickelt, der sie ausübt. Die Gemeinschaft der Neupythagoräer, um 50 v. Chr. gegründet und den jüdischen Essäern nahe verwandt, ist nichts weniger als eine antike Philosophenschule; sie ist ein echter Mönchsorden und zwar nicht der einzige, der innerhalb des Synkretismus die Ideale der christlichen Eremiten und islamischen Derwische vorwegnimmt. Diese Heidenkirche besitzt ihre Einsiedler, Heiligen, Propheten, Wunderbekehrungen, heiligen Schriften und Offenbarungen . [J. Geffcken, Der Ausgang des griech.-röm. Heidentums (1920), S. 197 ff.] In der Bedeutung des Götterbildes für den Kult vollzieht sich eine sehr merkwürdige und noch kaum untersuchte Wendung. Der größte Nachfolger Plotins, Jamblich, hat endlich um 300 das gewaltige System einer orthodoxen Theologie und priesterlichen Hierarchie mit strengem Ritual für diese Heidenkirche entworfen, und sein Schüler Julian hat sein ganzes Leben daran gesetzt und zuletzt geopfert, um diese Kirche für die Ewigkeit aufzurichten. [Ebenda, S. 131 ff.] Er wollte 51» sogar Klöster für meditierende Männer und Frauen einrichten und eine Kirchenbuße einführen. Eine mächtige Begeisterung, die sich bis zum Martyrium steigerte und weit über den Tod des Kaisers hinaus andauerte, hat diese gewaltige Arbeit unterstützt. Es gibt Inschriften, die man kaum anders übersetzen kann als: »Es ist nur ein Gott und Julian ist sein Prophet.« [Geffcken, S. 292, Am. 149.] Zehn Jahre mehr und diese Kirche wäre eine geschichtliche Tatsache von Dauer geworden. Endlich hat das Christentum nicht nur ihre Macht geerbt, sondern in wichtigen Stücken auch Form und Gehalt. Es ist nicht ganz richtig, wenn man sagt, die römische Kirche habe sich den Bau des römischen Reiches angeeignet. Dieser Bau
war
schon eine Kirche. Es gab eine Zeit, wo beide sich berührten. Konstantin der Große war Urheber des Konzils von Nikäa und zugleich Pontifex maximus. Seine Söhne, eifrige Christen, haben ihn zum
divus
erhoben und ihm den vorgeschriebenen Kult gewidmet. Augustin wagte den kühnen Ausspruch, daß die wahre Religion vor dem Erscheinen des Christentums in Gestalt der antiken vorhanden gewesen sei. [
Res ipsa, quae nunc religio Christiana nuncupatur, erat apud antiquos nec deficit ab initio generis humani, quousque Christus veniret in carnem. Unde vera religio, quae jam erat, coepit appellari Christiana
(Retractiones I, 13).]
5
Wenn man das Judentum von Kyros bis Titus überhaupt verstehen will, muß man sich immer wieder drei Tatsachen ins Gedächtnis rufen, welche die philologisch und theologisch voreingenommene Forschung zwar kennt, aber in ihren Erwägungen nicht mitzählen läßt: die Juden sind eine »Nation ohne Land«, ein
consensus
, und zwar in einer Welt
von lauter Nationen gleicher Art
. Jerusalem ist zwar ein Mekka, ein heiliger Mittelpunkt, aber weder die Heimat
noch das geistige Zentrum
des Volkes. Endlich sind die Juden nur so lange eine einzigartige Erscheinung der Weltgeschichte, als man sie von vornherein als solche behandelt.
Gewiß sind die nachexilischen Juden im Gegensatz zu den »Israeliten« vor dem Exil, was wohl zuerst Hugo Winckler erkannt hat, ein Volk von ganz neuer Art, aber sie sind es nicht allein. Die aramäische Welt
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