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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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gekannt haben. Auch Bar Daisan († 254) und die aus seinem Kreise stammende Apostelgeschichte des Thomas stehen der Paulinischen Lehre ganz fern, was sich bei Mani zu schroffer Feindschaft und zur Bezeichnung des geschichtlichen Jesus als bösem Dämon steigert. Wir erhalten hier einen Einblick in das Wesen des fast unterirdischen östlichen Christentums, das von der griechisch schreibenden Kirche der Pseudomorphose nicht beachtet wurde und deshalb der Kirchengeschichte bis jetzt entgangen ist. Aber aus dem Osten Kleinasiens stammten auch Marcion und Montanus; hier ist das in der Grundlage persische, aber jüdisch und dann christlich überschichtete Naassenerbuch entstanden, und weiter östlich, vielleicht im Matthäuskloster bei Mossul, hat um 340 Aphrahat jene seltsamen Briefe geschrieben, an deren Christentum die westliche Entwicklung von Irenäus bis Athanasius spurlos vorübergegangen ist. Die Geschichte des nestorianischen Christentums beginnt tatsächlich schon im 2. Jahrhundert.] Er faßt die mystischen Gestalten des Johanneischen Logos, den er mit dem persischen Vohu manc gleichsetzt, den Zarathustra der Awestalegende und den Buddha der späten Texte als göttliche Emanationen auf und verkündet sich selbst als den Paraklet des Johannesevangeliums und Saoshyant der Perser. Wie wir jetzt aus den Turfanfunden wissen, unter denen sich auch Teile der bis dahin völlig verlorenen Schriften Manis befinden, war die Kirchensprache der Mazdaisten, Manichäer und Nestorianer, unabhängig von den jeweiligen Umgangssprachen, das Pehlewi.
    Im Westen entwickeln, und zwar in griechischer Schriftsprache, [Denn die lateinischen Schriften z. B. des Tertullian und Augustin sind, soweit sie nicht übersetzt wurden, damals durchaus wirkungslos geblieben. In Rom selbst war Griechisch die eigentliche Sprache der Kirche.] die beiden Kultkirchen je eine Theologie, die nicht nur verwandt, sondern in ausgedehntem Maße identisch ist. Zur Zeit Manis beginnt die theologische Verschmelzung der aramäisch-chaldäischen Sonnenreligion und des aramäisch-persischen Mithraskultes zu einem System, dessen erster großer »Kirchenvater« um 300 Jamblich wird, ein Zeitgenosse des Athanasius, aber auch Diokletians, der 295 den Mithras zum henotheistischen Reichsgott erhebt. Seine Priester unterscheiden sich seelisch wenigstens in nichts von den christlichen. Proklos, ebenfalls ein echter Kirchenvater, empfängt in Träumen Erleuchtungen über eine schwierige Textstelle und möchte außer Platos Timaios und dem chaldäischen Orakelbuch, die für ihn kanonisch sind, alle Philosophenschriften vernichtet sehen. Seine Hymnen, Zeugnisse der Zerknirschung eines echten Eremiten, flehen Helios und andere Helfer um Schutz gegen böse Geister an. Hierokles schreibt ein Moralbrevier für Gläubige der neupythagoräischen Gemeinschaft, das man genau ansehen muß, um es nicht für christlich zu halten. Der Bischof Synesios wird von einem neuplatonischen zu einem christlichen Kirchenfürsten, ohne daß eine Bekehrung stattgefunden hätte. Er behielt seine Theologie bei und veränderte nur die Namen. Der Neuplatoniker Asklepiades konnte es unternehmen, ein großes Werk über die Gleichheit aller Theologien zu schreiben. Wir besitzen heidnische so gut wie christliche Evangelien und Heiligenleben. Apollonius hat das Leben des Pythagoras, Marinos das des Proklos, Damaskios das des Isidoros geschrieben: es besteht gar kein Unterschied zwischen diesen Schriften, die mit einem Gebet anfangen und schließen, und christlichen Märtyrerakten. Porphyrios bezeichnet als die vier göttlichen Elemente Glaube, Liebe, Hoffnung und Wahrheit.
    Zwischen diesen Kirchen des Westens und Ostens entwickelt sich, von Edessa aus gesehen nach Süden, die talmudische (die »Synagoge«) mit aramäischer Schriftsprache. Die Judenchristen (z. B. Ebioniten und Elkesaiten), Mandäer und Chaldäer waren nicht imstande, gegen diese großen Gründungen aufzukommen, wenn man nicht die Kirche Manis als neue Verfassung der chaldäischen Religion betrachtet. Sie sanken zu Sekten herab, die zahllos im Schatten der großen Kirchen dahindämmerten oder in ihren Verbänden aufgingen, wie die letzten Marcioniten und Montanisten im Manichäertum. Es gab um 300 außer der heidnischen, christlichen, persischen, jüdischen und manichäischen Kirche keine magische Religion von Bedeutung mehr.
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    Mit der Hochscholastik beginnt seit 200 auch das Streben, die
sichtbare
und immer strenger gegliederte

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