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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Gemeinschaft der Gläubigen mit dem Organismus des Staates gleichzusetzen. Das folgt mit Notwendigkeit aus dem Weltgefühl des magischen Menschen und führt zur Verwandlung der Herrscher in Kalifen – Beherrscher vor allem der Gläubigen, nicht eines Gebietes – und damit zur Auffassung der Rechtgläubigkeit als der Voraussetzung wirklicher Staatsangehörigkeit, zur Pflicht der Verfolgung falscher Religionen – der heilige Krieg des Islam ist so alt wie diese Kultur selbst und hat ihre ersten Jahrhunderte vollkommen erfüllt –, zur Stellung der im Staate nur geduldeten Ungläubigen unter eigenes Recht und Verwaltung – denn das göttliche Recht ist Ketzern versagt – und damit zur Wohnweise des Ghetto.
    Zuerst ist im Mittelpunkt der aramäischen Landschaft, in Osrhoëne, das Christentum um 200 Staatsreligion geworden. 226 wurde im Sassanidenreich der Mazdaismus und unter Aurelian (†275) und vor allem Diokletian (295) der durch den Divus-, Sol- und Mithraskult zusammengefaßte Synkretismus im römischen Imperium Staatsreligion. Konstantin geht seit 312, König Trdat von Armenien um 312, König Mirian von Georgien einige Jahre später zum Christentum über. Im Süden muß Saba schon im 3. und Axum im 4. Jahrhundert christlich geworden sein, aber gleichzeitig wird das Himjarenreich jüdisch und Kaiser Julian versucht noch einmal, die Heidenkirche zur Herrschaft zu bringen.
    Den Gegensatz dazu bildet, wieder in allen Religionen dieser Kultur, die Ausbreitung des Mönchtums mit seiner radikalen Abwendung von Staat, Geschichte und der Wirklichkeit überhaupt. Der Widerstreit von Dasein und Wachsein, von Politik also und Religion, Geschichte und Natur läßt sich durch die Form der magischen Kirche und ihre Gleichsetzung mit Staat und Nation doch nicht ganz überwinden; die Rasse bricht im Leben dieser geistlichen Schöpfungen doch hervor und überwältigt das Göttliche, eben weil es das Weltliche in sich aufgenommen hat. Aber hier gibt es keinen Kampf zwischen Staat und Kirche wie in der Gotik, und deshalb bricht er
innerhalb
der Nation aus zwischen dem Weltfrommen und dem Asketen. Eine magische Religion wendet sich ausschließlich an den göttlichen Funken, das
pneuma
im Menschen, das er mit der unsichtbaren Gemeinschaft der gläubigen und seligen Geister teilt. Der übrige Mensch gehört dem Bösen und der Finsternis. Das Göttliche – kein Ich, sondern gleichsam ein Gast – soll aber in ihm herrschen und das andere überwinden, unterdrücken, vernichten. In dieser Kultur ist der Asket nicht nur der wahre Priester – der Weltpriester genießt wie im Russentum niemals wirkliche Achtung; meist darf er auch heiraten –, sondern überhaupt der eigentlich Fromme. Außerhalb des Mönchtums ist eine Erfüllung der religiösen Forderungen gar nicht möglich, und deshalb nehmen Büßergemeinschaften, Einsiedlertum und Kloster schon früh einen Rang ein, den sie aus metaphysischen Gründen weder in Indien noch in China erhalten konnten, vom Abendland ganz zu schweigen, wo die Orden arbeitende und kämpfende, also dynamische Einheiten sind. [Der faustische Mönch bezwingt seinen bösen Willen, der magische die böse Substanz in sich. Dualistisch ist nur das zweite.] Deshalb trennt sich die Menschheit der arabischen Kultur nicht in »die Welt« und in mönchische Kreise mit genau getrennten Gebieten der Lebensart und den gleichen Möglichkeiten, die Gebote des Glaubens zu erfüllen. Jeder Fromme ist eine Art Mönch. [Die Reinheits- und Speisegesetze des Talmud und Awesta greifen viel tiefer in das tägliche Leben ein als etwa die Benediktinerregel.] Zwischen Welt und Kloster besteht kein Gegensatz, sondern nur ein Unterschied des
Grades
. Magische Kirchen und Orden sind
gleichartige Gemeinschaften
, die sich nur durch den Umfang unterscheiden lassen. Die Gemeinschaft des Petrus war ein Orden, die des Paulus eine Kirche, und die Mithrasreligion ist für die eine Bezeichnung fast zu groß, für die andre zu klein.
    Jede magische Kirche ist selbst ein Orden
und nur mit Rücksicht auf die menschliche Schwachheit werden Stufen und Grade der Askese nicht gesetzt, sondern erlaubt wie bei den Marcioniten und Manichäern (
electi
und
auditores
). Und eigentlich ist eine magische Nation nichts anderes als die Summe, der
Orden aller Orden
, die in ihr immer kleinere und strengere Kreise ziehen bis zum Eremiten, Derwisch und Säulenheiligen, an denen nichts Weltliches mehr ist, deren Wachsein nur noch dem
pneuma
gehört. Sieht man

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