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Der Untergang des Abendlandes

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Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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als historische Zeit) über die göttlichen Substanzen den Höhepunkt eines dogmatischen Kampfes. Der Islam hat endlich die ganze Frage noch einmal aufgenommen und mit Beziehung auf die Wesenheit Mohammeds und des Koran zu lösen versucht. Vorhanden ist das Problem, seit es ein magisches Menschentum gibt, so gut wie mit dem faustischen Denken auch schon die spezifisch abendländischen Willensprobleme an Stelle der Substanzprobleme gegeben sind. Man braucht nicht nach ihnen zu suchen; sie sind da, sobald das Denken der Kultur beginnt. Sie sind Grundform dieses Denkens und dringen in allen Untersuchungen hervor, auch wo man sie nicht sucht oder gar nicht bemerkt.
    Aber auch die drei landschaftlich vorbestimmten christlichen Lösungen des Ostens, Westens und Südens sind von Anfang an vorhanden und schon in den Hauptrichtungen der Gnosis – etwa durch Bardesanes, Basilides und Valentinus – angelegt. In Edessa treffen sie zusammen. Hier hallten die Straßen wider vom Kampfgeschrei der Nestorianer gegen die Sieger auf dem Konzil zu Ephesus und später von den å?ò-èåüò-Rufen der Monophysiten, die verlangten, daß der Bischof Ibas den Tieren im Zirkus vorgeworfen werde.
    Athanasius hatte, und zwar ganz aus dem Geist der Pseudomorphose heraus und seinem heidnischen Zeitgenossen Jamblich in vielem verwandt, die große Frage formuliert. Gegen Arius, der in Christus einen Halbgott – dem Vater nur wesens
ähnlich
– erblickte, behauptete er: Vater und Sohn sind von
derselben
göttlichen Substanz èåüôçò, die in Christus ein menschliches
soma
angenommen hat. »Das Wort ward Fleisch.« Diese Formel des Westens ist abhängig von anschaulichen Tatsachen der
Kult
kirche, das Verstehen der Worte vom beständigen Erblicken des Bildhaften. Hier im bilderfreundlichen Westen, wo eben jetzt Jamblich sein Buch über die Götterstatuen schrieb, in denen das Göttliche substanziell anwesend ist und Wunder wirkt, [Das ist auch die metaphysische Grundlage der bald beginnenden christlichen Bilderverehrung und der Erscheinung wundertätiger Marien- und Heiligenbilder.] ist neben dem abstrakten Verhältnis der Dreieinigkeit das sinnlich-menschliche von Mutter und Sohn stets wirksam, und gerade dieses ist aus den Gedankengängen des Athanasius nicht fortzudenken.
    Mit der anerkannten Wesensgleichheit von Vater und Sohn war das eigentliche Problem erst gestellt: das der geschichtlichen Erscheinung des Sohnes selbst, wie sie aus dem magischen Dualismus aufgefaßt werden müsse. In der Welthöhle gab es die göttliche und die weltliche Substanz, im Menschen den Anteil am göttlichen Pneuma und die mit dem »Fleisch« irgendwie verwandte Einzelseele. Wie stand es mit Christus?
    Es ist entscheidend, eine Folge der Schlacht bei Actium, daß der Streit in griechischer Sprache und auf dem Boden der Pseudomorphose geführt wurde, ganz im Machtgebiet des »Kalifen« der westlichen Kirche. Schon Konstantin hat das Konzil von Nikäa, wo die Lehre des Athanasius siegte, einberufen und beherrscht. Im aramäisch schreibenden und denkenden Osten verfolgte man diese Ereignisse kaum, wie die Briefe des Aphrahat beweisen. Man stritt nicht über das, was man für sich längst entschieden hatte. Der Bruch zwischen Ost und West, eine Folge des Konzils von Ephesus (431), trennte zwei christliche
Nationen,
die der »Perserkirche« und der »Griechenkirche«, aber innerlich bestätigte er nur die ursprüngliche Verschiedenheit von zwei landschaftlich durchaus getrennten
Denkweisen.
Nestorius und der ganze Osten erblickten in Christus den zweiten Adam, den göttlichen Gesandten des letzten Aion. Maria hat
einen Menschen
geboren, in dessen menschlicher und geschaffener Substanz
(physis)
die göttliche, ungeschaffene
wohnt.
Der Westen sah in Maria die Mutter
eines Gottes:
die göttliche und die menschliche Substanz bilden in seinem Leibe
(persona
in antikem Sprachgebrauch) [Vgl. Bd. II, S. 624f.] eine Einheit (von Kyrill als ?íùóéò bezeichnet). [Die Nestorianer protestierten gegen die Maria
theotokos,
die Gottgebärende, der sie den Christus
theophoros,
den Gott in sich tragenden, entgegenstellten. Darin kommt sogleich der tiefe Unterschied zwischen einer bilderfreundlichen und bilderfeindlichen Religiosität zum Vorschein.] Als das Konzil von Ephesus die »Gottesgebärerin« anerkannt hatte, kam es in der Stadt der berühmten Diana zu einer wahrhaft antiken Festorgie. [Man beachte die »westlichen« Substanzfragen in Proklos' gleichzeitigen

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