Der Untergang des Abendlandes
Schriften, vom doppelten Zeus, der Trias von ðáôÞñ, äýíáìéò, íüçóéò, die zugleich íïçôüí sind. Zeller, Philosophie der Griechen V, S. 857 ff. Ein wirkliches Ave Maria ist der schöne Hymnus des Proklos an Athene: »Wenn aber ein böser Fehl meines Daseins mich in Banden schlägt – ach, ich weiß es ja selbst, wie ich von vielen unheiligen Taten hin und her geworfen werde, die ich in meiner Verblendung begangen –, so sei mir gnädig, du Sanftmütige, du Heil der Menschheit, und laß mich nicht furchtbaren Strafen zur Beute am Boden liegen, denn ich bin und bleibe dein Eigentum« (Hymn. VII, Eudociae Aug. rel. A. Ludwich, 1897).]
Aber vorher schon hatte der Syrer Apollinaris die »südliche« Fassung verkündet: Im lebenden Christus ist nicht nur eine Person, sondern auch eine einzige Substanz vorhanden. Die göttliche hat sich verwandelt, nicht mit einer menschlichen vermischt (keine êñ?óéò, wie Gregor von Nazianz gegen ihn behauptete); diese monophysitische Auffassung läßt sich, was bezeichnend ist, am besten durch Begriffe Spinozas: die
eine
Substanz in einem andern Modus, ausdrücken. Die Monophysiten nannten den Christus des Konzils von Chalcedon (451), wo wieder der Westen seine Fassung durchgesetzt hatte, das »Götzenbild mit den zwei Gesichtern«. Sie fielen nicht nur von der Kirche ab; es kam zu erbitterten Aufständen in Palästina und Ägypten; als unter Justinian die persischen Truppen, also Mazdaisten, bis zum Nil vordrangen, wurden sie von den Monophysiten als Befreier begrüßt.
Der letzte Sinn dieses verzweifelten Kampfes, in dem es sich ein Jahrhundert lang nicht um gelehrte Begriffe, sondern um die Seele der Landschaft handelt, die
in ihren Menschen
befreit sein wollte,
war die Zurücknahme der Tat des Paulus.
Man muß sich ganz in das Innerste der beiden neu entstehenden Nationen versetzen und alle kleinen Züge der bloßen Dogmatik beiseite lassen: dann sieht man, wie die Richtung des Christentums nach dem griechischen Westen und seine geistige Verbindung mit der Heidenkirche ihren Gipfel in der Tatsache erreicht hatte, daß der Herrscher des Westens das Oberhaupt des Christentums überhaupt geworden war. Für Konstantin war mit Selbstverständlichkeit die paulinische Gründung innerhalb der Pseudomorphose
das
Christentum; die Judenchristen petrinischer Richtung waren eine ketzerische Sekte, die Ostchristen »johanneischer« Art hat er gar nicht bemerkt. Als der Geist der Pseudomorphose auf den drei entscheidenden Konzilen zu Nikäa, Ephesus und Chalcedon das Dogma ganz und endgültig nach
seiner
Veranlagung gefaßt hatte, richtete sich die eigentlich arabische Welt mit Naturgewalt auf und zog eine Grenze zwischen sich und ihm. Mit dem Ende der arabischen Frühzeit tritt der endgültige Zerfall des Christentums in drei Religionen ein, die sich symbolisch mit den Namen Paulus, Petrus und Johannes bezeichnen lassen und von denen keine mehr die eigentliche und wahre genannt werden darf, wenn man nicht historischen und theologischen Vorurteilen nachgibt. Sie sind zugleich drei Nationen im Stammgebiet der älteren griechischen, jüdischen und persischen Nation, und sie bedienen sich der von diesen entlehnten Kirchensprachen des Griechischen, Aramäischen und Pehlewi.
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Die Ostkirche hatte sich seit dem Konzil von Nikäa durch eine Episkopalverfassung mit dem Katholikos von Ktesiphon an der Spitze, mit eigenen Konzilen, Liturgie und Recht organisiert; 486 wurde die nestorianische Lehre als bindend angenommen und damit die Verbindung mit Byzanz gelöst. Von da an haben die Mazdaisten, Manichäer und Nestorianer ein gemeinsames Schicksal, das in der bardesanischen Gnosis im Keime angelegt war. In der monophysitischen Südkirche kommt der Geist der Urgemeinde wieder ans Licht und zu weiter Verbreitung; sie steht mit ihrem starren Monotheismus und ihrer Bilderfeindschaft dem talmudischen Judentum am nächsten und ist, was der Kampfruf "Allah il Allah" schon vorausgedeutet hatte, mit jenem der Ausgangspunkt des Islam geworden. Die Westkirche blieb mit dem Schicksal des römischen Reiches, das heißt der zum Staat gewordenen Kultkirche verbunden. Sie hat allmählich die Bekenner der Heidenkirche in sich aufgenommen. Ihre Bedeutung liegt von nun an nicht mehr in ihr selbst, denn der Islam hat sie fast vernichtet, sondern in dem Zufall, daß die jungen Völker der neuen Kultur des Abendlandes das christliche System von ihr als Grundlage einer neuen Schöpfung empfingen,
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