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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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Kaiser Gao-dsung (651–84) ließ in allen Provinzen Kirchen errichten, um 750 wurde im kaiserlichen Palast christlich gepredigt, 781 war nach einer noch erhaltenen Denksäule in Singanfu mit aramäisch-chinesischer Inschrift »ganz China von den Palästen der Eintracht bedeckt«. Aber es ist im höchsten Grade bedeutsam, daß die in religiösen Dingen doch erfahrenen Konfuzianer die Nestorianer, Mazdaisten und Manichäer für Anhänger einer einzigen »persischen« Religion gehalten haben, [Hermann, Chines. Geschichte (1912), S. 77.] so wie die Bevölkerung der weströmischen Provinzen Mithras und Christus nicht deutlich unterschied.
    Den Islam muß man als den Puritanismus der gesamten Gruppe frühmagischer Religionen betrachten, der nur in Form einer neuen Religion aufgetreten ist und zwar im Bereich der Südkirche und des talmudischen Judentums. In dieser tieferen Bedeutung und nicht allein in der Wucht des kriegerischen Ansturms liegt das Geheimnis seiner märchenhaften Erfolge. Obwohl er aus politischen Gründen eine erstaunliche Toleranz übte – der letzte große Dogmatiker der Griechenkirche, Johannes Damascenus, war unter dem Namen Al Mansor Schatzmeister des Kalifen –, sind Judentum und Mazdaismus und die christlichen Süd- und Ostkirchen sehr rasch und so gut wie vollständig in ihm verschwunden. Der Katholikos von Seleukia, Jesujabh III., klagt, daß gleich bei seinem ersten Auftreten Zehntausende von Christen übergegangen seien, und in Nordafrika, der Heimat Augustins, fiel die gesamte Bevölkerung sofort dem Islam zu. Mohammed starb 632. 641 schon war das ganze Gebiet der Monophysiten und Nestorianer und also das des Talmud und Awesta in islamischem Besitz. 717 stand man vor Konstantinopel und auch die Griechenkirche war in Gefahr, zu verschwinden. Schon 628 hatte ein Verwandter Mohammeds dem chinesischen Kaiser Tai-dsung Geschenke überbracht und die Erlaubnis zur Mission erhalten. Seit 700 gibt es in Schantung Moscheen, und 720 wird von Damaskus aus den längst in Südfrankreich stehenden Arabern der Befehl erteilt, das Frankenland zu erobern. Zwei Jahrhunderte später, als im Abendland aus den Resten der Westkirche eine neue religiöse Welt entstand, war der Islam im Sudan und auf Java angelangt.
    Aber der Islam bedeutet doch nur ein Stück
äußerer
Religionsgeschichte. Die innere Geschichte der magischen Religion ist mit Justinian ebenso zu Ende wie die der faustischen mit Karl V. und dem Konzil von Trient. Jeder Blick in irgendein Buch über Religionsgeschichte lehrt, daß »das« Christentum
zwei Zeitalter großer Gedankenbewegung
kennengelernt hat, 0–500 im Orient und 1000–1500 im Okzident. [Ein drittes, »gleichzeitiges«, wird in der ersten Hälfte des nächsten Jahrtausends in der russischen Welt folgen.] Aber das sind
zwei Frühzeiten zweier Kulturen
, und sie umfassen auch die Religionsentwicklung zugehöriger, aber nichtchristlicher Formen. Justinian hat nicht, wie es immer heißt, durch die Schließung der Hochschule von Athen (529) der antiken Philosophie ein Ende gemacht. Dergleichen gab es seit vielen Jahrhunderten nicht mehr. Er hat, vierzig Jahre vor der Geburt Mohammeds,
die Theologie der Heidenkirche
abgeschlossen und ebenso, was man hinzuzufügen vergißt, durch die Schließung der Schulen von Antiochia und Alexandria
auch die christliche.
Die Lehre war fertig, wie sie es im Abendland mit dem Konzil von Trient 1564 und dem Augsburger Bekenntnis 1530 ebenfalls war. Mit der Stadt und dem Geiste ist die religiöse Schöpferkraft zu Ende. Um 500 wird der Talmud abgeschlossen und 529 wurde in Persien die Reformation des Mazdak, die den Wiedertäufern des Abendlandes nicht unähnlich eheliches Leben und weltlichen Besitz verwarf und die von König Kobad I. gegen die Macht der Kirche und der Adelsgeschlechter unterstützt worden war, durch Chosru Nuschirwan blutig unterdrückt und die awestische Lehre damit endgültig festgelegt.
     

III. Pythagoras, Mohammed, Cromwell
15
    Religion nennen wir das Wachsein eines Lebewesens in den Augenblicken, wo es das Dasein überwältigt, beherrscht, verneint, selbst vernichtet. [Vgl. Bd. II, S. 557 ff. und Anm. S. 557.] Das rassehafte Leben und der Takt seiner Triebe werden klein und dürftig vor dem Blick in die ausgedehnte, gespannte und lichterfüllte Welt;
die Zeit weicht dem Raume
. Die pflanzenhafte Sehnsucht nach Vollendung erlischt und das tierhafte Urgefühl der Angst vor dem Vollendetsein, dem Richtungslosen, dem Tode bricht

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