Der Untergang des Abendlandes
[Und ebenso das Russentum, das den Schatz bisher verschlossen aufbewahrt hat.] und zwar in der lateinischen Fassung des äußersten Westens, die für die Griechenkirche selbst gar keine Bedeutung besaß. Denn Rom war damals eine Griechenstadt und das Latein weit eher in Afrika und Gallien zu Hause.
Was zum Wesen der magischen Nation gehört, ein Dasein, das in Ausdehnung besteht, war von Anfang an wirksam gewesen. Alle diese Kirchen trieben Mission und zwar nachdrücklich und mit gewaltigem Erfolge. Aber erst in den Jahrhunderten, in welchen das Weltende in die Ferne gerückt war und das Dogma für ein langes Dasein in dieser Welthöhle aufgebaut wurde, in denen die Gruppe der magischen Religionen sich an dem Substanzproblem endgültig klärte, nimmt die Ausdehnung jenes leidenschaftliche Tempo an, das diese Kultur von allen anderen unterscheidet und das in der Ausbreitung des Islam sein eindrucksvollstes und letztes, aber keineswegs einziges Beispiel gefunden hat. Die abendländischen Theologen und Historiker geben von dieser gewaltigen Tatsache ein vollständig falsches Bild. Mit dem Blick auf die Länder des Mittelmeers gebannt, bemerken sie nur die Westrichtung, die mit ihrem Schema Altertum – Mittelalter – Neuzeit verträglich ist, und auch da beachten sie nur das vermeintlich einheitliche Christentum, das für sie zu einer gewissen Zeit aus der griechischen in eine lateinische Form übergeht, worauf der griechische Rest ihren Blicken entschwindet.
Aber schon vor ihm hatte die Heidenkirche, was in seiner ungeheuren Tragweite nie beachtet und
als Missionsarbeit
überhaupt nicht erkannt wird, den größten Teil der Bevölkerung von Nordafrika, Spanien, Gallien, Britannien und längs der Rhein- und Donaugrenze für die synkretistischen Kulte gewonnen. Von der Druidenreligion, die Cäsar in Gallien angetroffen hatte, war zur Zeit Konstantins wenig mehr vorhanden. Die Angleichung einheimischer Ortsgötter an die Namen der großen – magischen – Gottheiten der Kultkirche, vor allem an Mithras-Sol-Jupiter, hat seit dem 2. Jahrhundert den Charakter einer werbenden Tätigkeit, und dasselbe gilt von der Ausdehnung des späteren Kaiserkultes. Die Mission des Christentums würde hier nicht so erfolgreich gewesen sein, wenn die ihm nahe verwandte andre Kultkirche nicht vorangegangen wäre. Aber diese Mission beschränkte sich durchaus nicht auf Barbaren. Noch im 5. Jahrhundert hat der Missionar Asklepiodot die karische Stadt Aphrodisias vom Christentum zum Heidentum bekehrt.
Die Juden haben, wie schon gezeigt worden ist, eine großartige Mission nach Süden und Osten getrieben. Über Südarabien sind sie bis ins innere Afrika gedrungen, und zwar vielleicht vor oder kurz nach Christi Geburt; im Osten sind sie schon im 2. Jahrhundert in China nachzuweisen. Im Norden trat später das Chazarenreich mit der Hauptstadt Astrachan zum Judentum über. Von dort aus sind Mongolen jüdischer Religion bis ins Innere Deutschlands gedrungen und 955 mit den Ungarn auf dem Lechfeld geschlagen worden. Jüdische Gelehrte der spanisch-maurischen Hochschulen baten um 1000 den Kaiser von Byzanz um Schutz für eine Gesandtschaft, welche die Chazaren befragen sollte, ob sie die Nachkommen der verlornen Stämme Israels seien.
Mazdaisten und Manichäer haben vom Tigris aus beide Imperien, das römische und das chinesische, bis zu den äußersten Grenzen durchzogen. Als Mithraskult gelangte das Persertum bis nach Britannien; die manichäische Religion war um 400 eine Gefahr für das griechische Christentum geworden; manichäische Sekten gab es noch zur Zeit der Kreuzzüge in Südfrankreich; aber beide Religionen waren gleichzeitig in östlicher Richtung längs der chinesischen Mauer, wo die große mehrsprachige Inschrift von Kara Balgassum die Einführung des manichäischen Bekenntnisses im Uigurenreich meldet, bis nach Schantung gelangt. Persische Feuertempel entstehen im Innern Chinas, seit 700 erscheinen in chinesischen astrologischen Schriften persische Ausdrücke.
Die drei christlichen Kirchen sind überall diesen Spuren gefolgt. Als die Westkirche den Frankenkönig Chlodwig bekehrte (496), war die Mission der Ostkirche schon bis nach Ceylon und in die chinesischen Garnisonen am Westende der großen Mauer gelangt, die der Südkirche in das Reich von Axum. Als seit Bonifatius (718) Deutschland bekehrt wurde, waren die nestorianischen Missionare nahe daran, das chinesische Mutterland zu gewinnen. 638 sind sie in Schantung eingewandert.
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