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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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der starren Formen einer noch älteren, noch fellachenhafteren Zivilisation und ist dadurch in seinem Bestande gesichert. Aber der westeuropäisch-amerikanische Teil des jüdischen
consensus
, der die übrigen Teile meist an sich gezogen und an sein Schicksal gebunden hat, ist nun in das Getriebe einer jungen Zivilisation geraten, ohne Zusammenhang mit irgend einem Stück Land, nachdem er sich Jahrhunderte hindurch ghettomäßig abgeschlossen und so gerettet hatte. Damit ist er zersprengt und geht der völligen Auflösung entgegen. Aber das ist ein Schicksal nicht innerhalb der faustischen, sondern der magischen Kultur.
     

Viertes Kapitel: Der Staat
I. Das Problem der Stände: Adel und Priestertum
1
    Ein unergründliches Geheimnis der kosmischen Flutungen [Vgl. Bd. II, S. 557 und Anm. S. 557.] , die wir Leben nennen, ist ihre Sonderung in zwei Geschlechter. Schon in den erdverbundenen Daseinsströmen der Pflanzenwelt strebt es auseinander, wie das Sinnbild der Blüte zeigt: etwas das dieses Dasein
ist
, und etwas, das es aufrecht erhält. Tiere sind frei, kleine Welten inmitten einer großen; Kosmisches, als Mikrokosmos abgeschlossen und dem Makrokosmos gegenübergestellt. Hier steigert sich, und zwar im Verlauf der Tiergeschichte mit immer größerer Entschiedenheit, das Zweierlei der Richtungen zu zweierlei Wesen, männlichen und weiblichen.
    Das Weibliche steht dem Kosmischen näher. Es ist der Erde tiefer verbunden und unmittelbar einbezogen in die großen Kreisläufe der Natur. Das Männliche ist freier, tierhafter, beweglicher auch im Empfinden und Verstehen, wacher und gespannter.
    Der Mann
erlebt
das Schicksal und
begreift
die Kausalität, die Logik des Gewordnen nach Ursache und Wirkung. Das Weib aber
ist
Schicksal,
ist
Zeit,
ist
die organische Logik des Werdens selbst. Eben deshalb bleibt das Kausalprinzip ihm ewig fremd. So oft sich der Mensch das Schicksal faßlich zu machen sucht, er hat immer den Eindruck von etwas Weiblichem empfangen, von Moiren, Parzen und Nornen. Der höchste Gott ist nie das Schicksal selbst, sondern er vertritt oder beherrscht es – wie der Mann das Weib. Das Weib ist in ursprünglichen Zeiten auch die Seherin, nicht weil es die Zukunft kennt, sondern weil es sie
ist
. Der Priester deutet nur, das Weib aber ist Orakel. Die Zeit selbst redet aus ihm.
    Der Mann
macht
Geschichte, das Weib
ist
Geschichte. In geheimnisvoller Weise enthüllt sich hier ein doppelter Sinn alles lebendigen Geschehens: es ist kosmisches Dahinströmen an sich, und dann doch wieder die Reihenfolge der Mikrokosmen selbst, die das Strömen in sich faßt, schützt und erhält. Diese »zweite« Geschichte ist die eigentlich männliche, die politische und soziale; sie ist bewußter, freier, bewegter. Sie reicht tief in die Anfänge der Tierwelt zurück und empfängt in den Lebensläufen der hohen Kulturen ihre höchste sinnbildliche und welthistorische Gestalt. Weiblich ist die erste, die ewige, mütterliche, pflanzenhafte – die Pflanze selbst hat immer etwas Weibliches –,
die kulturlose Geschichte der Folge von Generationen
, die sich nie ändert, die durch das Dasein aller Tier- und Menschenarten, durch alle kurzlebigen Einzelkulturen gleichmäßig und still hindurchgeht. Blickt man zurück, so ist sie gleichbedeutend mit dem Leben selbst. Auch sie hat ihre Kämpfe und ihre Tragik. Das Weib erringt seinen Sieg im Wochenbett. Bei den Azteken, den Römern der mexikanischen Kultur, wurde die gebärende Frau als tapferer Krieger begrüßt und die an der Geburt gestorbene unter denselben Formeln bestattet wie die in der Schlacht gefallenen Helden. Des Weibes ewige Politik ist die Eroberung des Mannes, durch den sie Mutter von Kindern, durch den sie also Geschichte, Schicksal, Zukunft sein kann. Ihre tiefe Klugheit und Kriegslist richtet sich stets auf den Vater ihres Sohnes. Der Mann aber, der mit dem Schwergewicht seines Wesens der andern Geschichte angehört, will
seinen
Sohn haben als Erben, als Träger seines Blutes und seiner geschichtlichen Tradition.
    Hier kämpfen in Mann und Weib
die beiden Arten von Geschichte
um die Macht. Das Weib ist stark und ganz, was es ist, und es erlebt den Mann und die Söhne nur in bezug auf sich und seine Bestimmung. Im Wesen des Mannes liegt etwas Zwiespältiges. Er ist dies und noch etwas andres, was das Weib weder begreift noch anerkennt und als Raub und Gewalt an seinem Heiligsten empfindet. Das ist der geheime Urkrieg der Geschlechter, der ewig dauert, seit es

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