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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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ein Stand! –, Schmiede, Sänger und die berufsmäßig Erwerbslosen, die in frühgotischer Zeit durch die Caritas der Kirche und die Wohltätigkeit frommer Laien in Massen förmlich gezüchtet worden sind.
    Aber endlich ist Kaste überhaupt ein Wort, das weniger gebraucht als mißbraucht worden ist. Kasten haben im Ägypten des Alten und Mittleren Reiches ebensowenig bestanden wie im vorbuddhistischen Indien und in China vor der Hanzeit. Erst in sehr späten Zuständen tauchen sie auf, dann aber auch in allen Kulturen. Von der 21. Dynastie an (um 1100) befindet sich Ägypten bald in den Händen der thebanischen Priester-, bald der libyschen Kriegerkaste, und die Erstarrung ist dann beständig fortgeschritten bis zu den Tagen Herodots, der den Zustand seiner Zeit ebenso falsch als spezifisch ägyptisch betrachtet hat, wie wir heute den indischen.
Stand und Kaste unterscheiden sich wie früheste Kultur und späteste Zivilisation.
In der Heraufkunft der Urstände Adel und Priestertum entfaltet sich die Kultur, in den Kasten drückt sich das endgültige Fellachentum aus. Der Stand ist das Lebendigste von allem, Kultur in Vollendung begriffen, »geprägte Form, die lebend sich entwickelt«; die Kaste ist das absolute Fertigsein, die Zeit der Vollendung als unbedingte Vergangenheit.
    Die großen Stände sind aber auch etwas ganz andres als die
Berufsgruppen
etwa der Handwerker, Beamten, Künstler, die durch technische Tradition und den Geist ihrer Arbeit zunftmäßig zusammengehalten werden: nämlich
Symbole in Fleisch und Blut
, deren gesamtes Sein nach Erscheinung, Haltung und Denkart sinnbildliche Bedeutung besitzt. Und zwar ist innerhalb jeder Kultur das Bauerntum ein reines Stück Natur und Wachstum und also
unpersönlicher
Ausdruck, Adel und Priestertum aber das Ergebnis einer hohen Zucht oder Bildung und also Ausdruck einer
ganz persönlichen Kultur
, die nicht nur den Barbaren, den Tschudra, sondern nun auch alle andern dem Stand nicht Zugehörigen
als Rest
, vom Adel aus gesehen als »Volk«, vom Priester aus als Laientum durch die Höhe der Form abweist. Und dieser
Stil der Persönlichkeit
ist es, der im Fellachentum versteinert und zum Typus einer Kaste wird, die nun unverändert durch alle Jahrhunderte fortbesteht. Wenn innerhalb der lebendigen Kultur sich Rasse und Stand als das unpersönliche und persönliche gegenüberstehen, so in Fellachenzeiten
die Masse und die Kaste
, der Kuli und der Brahmane oder Mandarin als
das Formlose und das Förmliche
. Die lebendige Form ist zur Formel geworden, die ebenfalls Stil besitzt, aber stilvolle Starrheit, den versteinerten Stil der Kaste, etwas von höchster Feinheit, Würde und Durchgeistigung, den im Werden begriffenen Menschen einer Kultur sich unendlich überlegen fühlend – wir machen uns kaum eine Vorstellung davon, aus welcher Höhe ein Mandarin oder Brahmane auf europäisches Denken und Tun herabblickt, und wie gründlich die ägyptischen Priester ihre Besucher wie Pythagoras und Plato verachtet haben müssen – aber unbewegt durch alle Zeiten schreitend mit der byzantinischen Erhabenheit einer Seele, die alle Rätsel und Probleme längst hinter sich hat.
2
    In karolingischer Vorzeit unterschied man Knechte, Freie und Edle. Das ist ein primitiver Rangunterschied auf Grund bloßer Tatsachen des äußeren Lebens. In frühgotischer Zeit heißt es in Freidanks Bescheidenheit:
Got hât driu leben geschaffen,
Gebȗre, Ritter, phaffen. 
    Das sind Standesunterschiede einer hohen, eben erwachenden Kultur. Und zwar stehen »Stola und Schwert« dem Pfluge gegenüber als die Stände im anspruchsvollsten Sinne dem Übrigen, dem Nichtstand, dem was ebenfalls Tatsache ist, aber ohne tiefere Bedeutung. Der innere, gefühlte Abstand ist so schicksalhaft und gewaltig, daß kein Verstehen hinüberführt. Haß quillt aus den Dörfern empor, Verachtung strahlt von den Burgen zurück. Weder Besitz noch Macht noch Beruf haben diesen Abgrund zwischen den »Leben« aufgerichtet. Er läßt sich logisch überhaupt nicht begründen. Er ist metaphysischer Natur.
    Später erscheint mit der Stadt, aber jünger als diese,
das Bürgertum
, der »dritte Stand«. Auch der Bürger sieht jetzt verächtlich auf das Land herab, das dumpf, unverändert, Geschichte duldend um ihn liegt, dem gegenüber er sich wacher und freier und deshalb fortgeschrittener auf dem Wege der Kultur empfindet. Er verachtet auch die Urstände, »Junker und Pfaffen«, als etwas, das geistig unter ihm und

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