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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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der vernachlässigten äußeren Lage auch nur einen Augenblick bestehen könnte. Es ist ein Grundfehler der Ideologen, daß sie gegenüber dem Privatleben und dem ganz darauf bezogenen Innenbau eines Staates von dessen äußerer Machtstellung, die in Wirklichkeit die Freiheit der inneren Gestaltung ganz und gar bedingt, völlig absehen. Der Unterschied der französischen und deutschen Revolution z. B. besteht darin, daß die eine von Anfang an die äußere Lage und
damit
die innere beherrscht hat, die andre nicht. Damit war diese von vornherein eine Farce.]
    In jedem Falle aber ist der Staat die Form, welche die
äußere
Lage bestimmt, so daß die geschichtlichen Beziehungen zwischen Völkern
stets politischer und nicht sozialer Natur sind
. Innenpolitisch ist die Lage dagegen derart von ständischen Gegensätzen beherrscht, daß hier die soziale und politische Taktik auf den ersten Blick untrennbar erscheinen und beide Begriffe im Denken von Menschen, die ihr eigenes, etwa bürgerliches Standesideal mit der geschichtlichen Wirklichkeit gleichsetzen und deshalb nicht außenpolitisch denken können, sogar identisch sind. Im Außenkampfe sucht ein Staat Bündnisse mit anderen Staaten; im Innenkampf ist er stets auf ein Bündnis mit Ständen angewiesen, so daß die antike Tyrannis des 6. Jahrhunderts auf dem Zusammenschluß des Staatsgedankens mit den Interessen des dritten Standes gegenüber der urständischen Oligarchie beruhte, und die französische Revolution in dem Augenblick unvermeidlich wurde, wo der
tiers
, also Geist und Geld, die für ihn eintretende Krone im Stich ließ und zu den beiden ersten Ständen überging (seit der ersten Notabelnversammlung von 1787). Daher wird mit einem sehr richtigen Gefühl zwischen Staaten- und Klassengeschichte, [Die durchaus nicht mit Wirtschaftsgeschichte im Sinne des historischen Materialismus identisch ist. Darüber im nächsten Kapitel.] politischer (»horizontaler«) und sozialer (»vertikaler«) Geschichte, Krieg und Revolution unterschieden, aber es ist ein großer Irrtum moderner Doktrinäre, den Geist der Innengeschichte für den der Geschichte überhaupt zu halten.
Weltgeschichte ist Staatengeschichte
und wird es immer sein. Die innere Verfassung einer Nation hat immer und überall den Zweck, für den äußeren Kampf, sei er militärischer, diplomatischer oder wirtschaftlicher Art, »
in Verfassung
« zu sein. Wer sie als Selbstzweck und Ideal an sich behandelt, richtet mit seiner Tätigkeit nur den Körper der Nation zugrunde. Aber andrerseits gehört es zum innerpolitischen Takt einer herrschenden Schicht, gehöre sie dem ersten oder vierten Stande an, die ständischen Gegensätze so zu behandeln, daß die Kräfte und Gedanken der Nation nicht im Parteikampf festgelegt werden und der Landesverrat nicht als
ultima ratio
erscheint.
    Und da ist es deutlich, daß der
Staat und der erste Stand
als Lebensformen bis in die Wurzel hinein verwandt sind, nicht nur mit ihrer Symbolik von Zeit und Sorge, ihrer
gemeinsamen
Beziehung zur Rasse, zu den Tatsachen der Geschlechterfolge, zur Familie und damit zu den Urtrieben allen Bauerntums, auf das jeder Staat und jeder Adel von Dauer sich letzten Endes stützen, nicht nur in ihrer Beziehung zum Boden, zum Stammsitz, Erbgut oder Vaterland, das in seiner Bedeutung für die Nationen magischen Stils nur deshalb zurücktritt, weil die Rechtgläubigkeit ihr vornehmster Zusammenhalt ist, sondern vor allem in der großen Praxis inmitten aller Tatsachen der geschichtlichen Welt, in der
gewachsenen
Einheit des Taktes und der Triebe, in der Diplomatie, der Menschenkenntnis, der Kunst des Befehlens, im Männerwillen nach Erhaltung und Erweiterung der Macht, der in Urzeiten Adel und Volk aus ein und derselben Heeresversammlung hervorgehen läßt, und endlich in dem Sinn für Ehre und Tapferkeit, so daß bis in die letzten Zeiten hinein der Staat am festesten steht, in dem der Adel oder die von ihm geschaffene Tradition ganz in den Dienst der allgemeinen Sache gestellt ist, wie es in Sparta den Athenern, in Rom den Karthagern, im chinesischen Staate Tsin dem taoistisch gestimmten Tsu gegenüber der Fall war.
    Der Unterschied ist, daß der ständisch geschlossene Adel wie
jeder
Stand den Rest der Nation nur in bezug auf sich selbst erlebt und nur in diesem Sinne Macht ausüben will, der Staat aber der Idee nach die Sorge für alle ist und erst insofern auch die für den Adel. Aber ein echter und alter Adel stellt sich
dem Staate gleich
und

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