Der Untergang des Abendlandes
mächtigen Bindungen von Sprache und Landschaft hinaus vom Schicksal regierender Häuser abhängig wird; Erbfolgeordnungen wie das salische Gesetz, Urkundenbücher, in denen man die Geschichte des Blutes nachlas, Heiraten und Todesfälle trennen oder verschmelzen das Blut ganzer Bevölkerungen. [ Vgl. Bd. II, S. 774 ff.] Weil es nicht zur Bildung einer lothringischen und burgundischen Dynastie kam, sind auch die beiden im Keim schon angelegten Nationen nicht zur Entwicklung gekommen. Das Verhängnis über dem Hohenstaufengeschlecht hat in Deutschland und Italien die Kaiserkrone und
mit ihr
die einheitliche deutsche und italienische Nation zu einer tiefen Sehnsucht durch Jahrhunderte hin gemacht, während das Haus Habsburg nicht eine deutsche, sondern eine österreichische Nation hat entstehen lassen.
Ganz anders gestaltet sich das dynastische Prinzip aus dem Höhlengefühl der arabischen Welt. Der antike Prinzeps, der legitime Nachfolger der Tyrannen und Tribunen, ist die Verkörperung des Demos. Wie Janus die Tür, Vesta der Herd, so ist der Cäsar das Volk. Es ist die letzte Schöpfung orphischer Religiosität. Magisch ist demgegenüber der Dominus et Deus, der Schah, der des himmlischen Feuers teilhaftig geworden ist (des
hvareno
im mazdaistischen Sassanidenreich und danach der Strahlenkrone, der Aureole im heidnischen und christlichen Byzanz), das ihn umstrahlt und ihn
pius felix
und
invictus
macht: dies die offiziellen Titel seit Commodus. [F. Cumont, Mysterien der Mithra (1910), S. 74 ff. Die Sassanidenregierung, die um 300 vom Lehnswesen zum Ständestaat überging, ist in jeder Beziehung das Vorbild von Byzanz geworden, im Zeremoniell, im ritterlichen Kriegswesen, in der Verwaltung und vor allem im Typus des Herrschers. Vgl. auch A. Christensen, L'empire des Sassanides, le peuple, l'état, la cour (Kopenhagen 1907).] Im dritten Jahrhundert hat sich in Byzanz im Typus des Herrschers derselbe Übergang vollzogen wie in der Rückbildung des augustischen Beamtenstaates zum diokletianischen Lehnsstaat. »Die Neuschöpfung, welche Aurelian und Probus begonnen, Diokletian und Konstantin auf den Trümmern ausgeführt haben, steht dem Altertum und dem Prinzipat bereits ungefähr ebenso fern wie das Reich Karls des Großen.« [Ed. Meyer, Kl. Schriften, S. 146.] Der magische Herrscher regiert den sichtbaren Teil des allgemeinen
consensus
der Rechtgläubigen, der Kirche, Staat und Nation zugleich ist, [Vgl. Bd. II, S. 854f.] wie es Augustin in seinem Gottesstaat beschrieben hat; der abendländische Herrscher ist von Gottes Gnaden Monarch innerhalb der
geschichtlichen
Welt; sein Volk ist ihm Untertan, weil Gott es ihm verliehen hat. In Sachen des Glaubens aber ist er selbst Untertan, nämlich entweder der des irdischen Stellvertreters Gottes oder der seines Gewissens. Das ist die Trennung von Staatsgewalt und Kirchengewalt, der große faustische Konflikt zwischen Zeit und Raum. Als im Jahre 800 der Papst den Kaiser krönte,
wählte
er sich einen neuen Gebieter, um selbst zu wachsen. Der Kaiser in Byzanz war nach magischem Weltgefühl sein Herr auch im Geistigen; der im Frankenland war in religiösen Dingen sein
Diener
, in weltlichen – vielleicht – sein Arm. Das Papsttum konnte als Idee nur durch die Trennung vom Kalifat entstehen, denn im Kalifen ist der Papst
enthalten
.
Die Wahl des magischen Herrschers kann aber eben deshalb nicht durch ein genealogisches Erbfolgegesetz festgelegt sein; sie erfolgt aus dem
consensus
der herrschenden Blutsgemeinschaft, aus dem der heilige Geist spricht und den Erkorenen bezeichnet. Als Theodosius 450 starb, reichte eine Verwandte, die Nonne Pulcheria, dem greisen Senator Markianos formell die Hand, um durch die Aufnahme dieses Staatsmannes in den Familienverband ihm den Thron und damit der »Dynastie« die Fortdauer zu sichern, [Krumbacher, Byz. Literaturgesch., S. 918.] und das ist wie zahlreiche verwandte Akte auch im Sassaniden- und Abbassidenhause wie ein höherer Wink betrachtet worden.
In China war der mit dem Lehnswesen fest verbundene Kaisergedanke der frühesten Dschouzeit schnell ein Traum geworden, in dem sich bald und zwar mit steigender Deutlichkeit auch die ganze Vorwelt in Gestalt von drei Dynastien und einer Reihe noch älterer Sagenkaiser spiegelte. [Auf die Ausgestaltung dieses Bildes wirft die Tatsache ein helles Licht, daß die Nachkommen der angeblich gestürzten Dynastien Hia und Schang in den Staaten Ki und Sung während der ganzen Dschouzeit herrschten
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