Der Untergang des Abendlandes
(Schindler, Das Priestertum im alten China I, S. 39). Das beweist erstens, daß das Bild des Kaisertums auf eine frühere und vielleicht sogar gleichzeitige Machtstellung
dieser Staaten
zurückgespiegelt worden ist, vor allem aber, daß Dynastie auch hier nicht die uns geläufige Größe ist, sondern einen ganz anderen Familienbegriff voraussetzt. Damit vergleichbar ist die Fiktion, daß der deutsche König, der stets auf fränkischem Boden gewählt und in der Grabkapelle Karls des Großen gekrönt wird, als »Franke« gilt, woraus unter andern Umständen sich die Vorstellung einer Frankendynastie von Karl bis Konradin hätte entwickeln können (K. v. Amira, Germ. Recht, bei Herm. Paul, Grundriß III, S. 147 Anm.). Seit der konfuzianischen Aufklärung ist dieses Bild dann zur Grundlage einer Staatstheorie gemacht und noch später von den Cäsaren benützt worden, vgl. Bd. II, S. 946f.] Für die Dynastien des nun heranwachsenden Staatensystems aber, in dem der Titel Wang, König, zuletzt ganz allgemein üblich wird, bildeten sich strenge Thronfolgeordnungen heraus, und die der Frühzeit ganz fremde Legitimität wird eine Macht, [O. Franke, Stud. z. Gesch. d. Konf. Dogmas, S. 247, 251.] die in dem Aussterben einzelner Linien, in Adoptionen und Mißheiraten wie im abendländischen Barock Anlässe zu zahllosen Erbfolgekriegen findet. [Ein bezeichnendes Beispiel ist die als gesetzwidrig bestrittene Personalunion der Staaten Ki und Tseng bei Franke, S. 251.] Ein Legitimitätsprinzip liegt sicherlich auch der seltsamen Tatsache zugrunde, daß die Herrscher der 12. Dynastie Ägyptens, mit welcher die Spätzeit endet, ihre Söhne schon zu Lebzeiten krönen lassen [Ed. Meyer, Gesch. d. Alt. I, § 281.] ; die innere Verwandtschaft dieser drei dynastischen Ideen ist wieder ein Beweis für die Verwandtschaft des Daseins in diesen Kulturen überhaupt.
Es bedarf eines tiefen Eindringens in die politische Formensprache der frühen Antike, um zu erkennen, daß die Entwicklung der Dinge hier ganz dieselbe ist und nicht nur den Übergang vom Lehnsverband zum Ständestaat, sondern sogar das dynastische Prinzip enthält. Aber das antike Dasein hat zu allem, was es zeitlich und räumlich in die Ferne zog, Nein gesagt und auch in der Tatsachenwelt der Geschichte sich rings mit Schöpfungen umstellt, denen etwas Defensives anhaftet. Indessen setzt doch all diese Enge und Kürze das voraus, wogegen sie aufrecht erhalten werden soll. Die dionysische Vergeudung und die orphische Verneinung des antiken Leibes enthält gerade in der
Form
dieses Protestes das apollinische Ideal des vollkommenen leiblichen Seins.
Die Einzelherrschaft und der Erbwille waren im frühesten Königtum unzweideutig gegeben, [G. Busolt, Griechische Staatskunde (1920), S. 319ff. Wenn U. v. Wilamowitz (Staat und Gesellschaft der Griechen, 1910, S. 53) das patriarchalische Königtum bestreitet, so verkennt er den gewaltigen Abstand des in der Odyssee angedeuteten Zustandes des achten Jahrhunderts von dem des zehnten.] aber schon um 800 fragwürdig geworden, wie die Rolle des Telemach in den älteren Teilen der Odyssee zeigt. Der Königstitel wird oft auch von großen Vasallen und den Angesehensten des Adels geführt. In Sparta und Lykien sind es zwei, in der Phäakenstadt des Epos und in manchen wirklichen Städten noch mehr. Dann kommt die Abspaltung der Ämter und Würden. Endlich wird das Königtum selbst ein Amt, das der Adel vergibt, erst vielleicht innerhalb der alten Königsfamilie wie in Sparta, wo die Ephoren als Vertreter des ersten Standes an keine Wahlordnung gebunden sind, und in Korinth, wo das Königsgeschlecht der Bakchiaden um 750 die Erblichkeit aufhebt und aus seiner Mitte jedesmal einen Prytanen mit Königsrang bestellt. Die großen Ämter, die zunächst ebenfalls erblich waren, werden lebenslänglich, dann auf Frist, endlich auf ein Jahr beschränkt und zwar so, daß bei einer Mehrzahl von Inhabern auch noch ein regelmäßiger Wechsel der Führung eintritt, was bekanntlich den Verlust der Schlacht von Cannä veranlaßt hat. Diese Jahresämter, von der etruskischen Jahresdiktat ur [A. Rosenberg, Der Staat der alten Italiker (1913), S. 75 f.] bis zum dorischen Ephorat, das auch in Herakleia und Messene vorkommt, sind mit dem Wesen der Polis fest verbunden und erreichen ihre volle Ausbildung um 650 gerade dann, als im abendländischen Ständestaat gegen Ende des 15. Jahrhunderts die dynastische Erbgewalt durch Kaiser Maximilian I. und seine
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