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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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ohnehin am Orte waren und der Bauer im Ständesinne nicht mitzählte. Durch die Sammlung der adligen Macht an einem Punkte ist das Königtum der Lehnszeit gebrochen worden.
    Auf Grund dieser Einblicke darf der Versuch gewagt werden, die Urgeschichte Roms unter allem Vorbehalt zu zeichnen. Der römische Synoikismos, eine örtliche Zusammenfassung verbreiteter adliger Geschlechter, ist identisch mit der »Gründung« Roms, einem etruskischen Unternehmen wahrscheinlich am Anfang des 7. Jahrhunderts, [Aus dieser Zeit stammen die in Gräbern am Esquilin gefundenen griechischen Lekythen.] während schon lange vorher zwei Ansiedlungen auf dem Palatin und Quirinal gegenüber der Königsburg des Capitols bestanden hatten. Zur ersten gehört die uralte Göttin Diva Rumina [Wissowa, Religion der Römer, S. 242.] und das etruskische Geschlecht der Ruma, [W. Schulze, Zur Geschichte lateinischer Eigennamen, S. 379 ff., 580 f.] zur zweiten der Gott Quirinus pater. Von daher stammen der Doppelname Römer und Quiriten und die doppelten Priestertümer der Salier und Luperci, die an den beiden Hügeln haften. Da die drei Geschlechtertribus der Ramnes, Tities und Luceres sich sicherlich durch alle etruskischen Orte zogen, [Vgl. Bd. II, S. 994.] so müssen sie hier wie dort vorhanden gewesen sein, und daraus erklären sich nach vollzogenem Synoikismos die Sechszahl der Reiterzenturien, der Kriegstribunen und der hochadligen Vestalinnen, aber andrerseits auch die
beiden
Prätoren oder Konsuln, die dem Königtum schon früh als Vertreter des Adels zur Seite gestellt wurden und ihm allmählich jeden Einfluß entzogen. Schon um 600 muß die Verfassung Roms eine starke Oligarchie der Patres mit einem Schattenkönigtum [Das kommt auch in dem Verhältnis des Pontifex maximus zum Rex sacrorum zum Ausdruck. Dieser gehört mit den drei großen Flamines zum Königtum; die Pontifices und die Vestalinnen gehören zum Adel.] an der Spitze gewesen sein, aber daraus folgt wieder, daß die alte Annahme einer Vertreibung der Könige und die moderne eines langsamen Abbaus der Königsgewalt nebeneinander zu Recht bestehen, denn die eine bezieht sich auf den Sturz der tarquinischen Tyrannis, die um die Mitte des 6. Jahrhunderts wie damals überall gegen die Oligarchie aufgerichtet worden war, in Athen durch Peisistratos, die andere auf die langsame Auflösung der Lehnsgewalt des, man darf auch hier sagen homerischen Königtums
vor
der »Gründung« durch den Ständestaat der Polis, eine Krise, die hier vielleicht durch das Hervortreten der Prätoren ebenso bezeichnet wurde wie anderswo durch das der Archonten und Ephoren.
    Diese Polis ist streng adlig wie der abendländische Ständestaat (dieser einschließlich des höheren Klerus und der Städtevertreter). Der Rest der Zugehörigen ist schlechthin Objekt – der politischen Sorge, hier also der
Sorglosigkeit
. Denn
Carpe diem
ist der Wahlspruch gerade auch dieser Oligarchie, wie die Lieder des Theognis und des Kreters Hybrias laut genug verkünden; in der Finanzwirtschaft, die bis in die spätesten Zeiten der Antike mehr oder weniger gesetzloser Raub geblieben ist, um die Mittel für den Augenblick zu beschaffen, von dem organisierten Piratentum des Polykrates seinen eigenen Untertanen gegenüber bis zu den Proskriptionen der römischen Triumvirn; in der Rechtssetzung bis zu der mit beispielloser Konsequenz auf den Augenblick gerichteten Ediktalgesetzgebung des einjährigen römischen Prätors; [Vgl. Bd. II, S. 628 ff.] endlich in der sich immer mehr verbreitenden Sitte, gerade die wichtigsten Heeres-, Rechts- und Verwaltungsämter durch das Los zu besetzen – eine Art Huldigung an Tyche, die Göttin des Augenblicks.
    Ausnahmen von dieser Art, politisch in Form zu sein und entsprechend zu fühlen und zu denken, gibt es nicht. Die Etrusker sind von ihr ebenso beherrscht wie die Dorer und Makedonier. [Vgl. Bd. II, S. 765 f.] Wenn Alexander und seine Nachfolger den Osten weithin mit hellenistischen Städten bedeckten, so geschah es ganz unbewußt auch deshalb, weil sie sich eine andere Form der politischen Organisation nicht vorstellen konnten. Antiochia sollte Syrien sein und Alexandria Ägypten. Und in der Tat war Ägypten unter den Ptolemäern wie später unter den Cäsaren nicht rechtlich, aber tatsächlich eine Polis in ungeheurem Maßstabe; das längst fellachenhafte und wieder stadtlose Land lag mit seiner uralten Verwaltungstechnik als Feldmark vor den Toren. [Das ist deutlich zu ersehen aus Wilcken,

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