Der Untergang des Abendlandes
bei weitem überschritten hat, [Mehr als 1½ Millionen Mann auf kaum 20 Millionen Einwohner der Nordstaaten.] und in dem zuerst für die Verschiebung großer Truppenmassen die Eisenbahn, für den Nachrichtendienst der elektrische Telegraph, für die Blockade eine monatelang auf hoher See gehaltene Dampferflotte erprobt und das Panzerschiff, der Torpedo, die gezogenen Schußwaffen und die ganz großen Geschütze von außerordentlicher Tragweite erfunden wurden. [Zu den ganz neuen Aufgaben gehörte auch der Schnellbau von Bahnen und Brücken; die für die schwersten Militärzüge bestimmte Chattanoogabrücke von 240 m Länge und 30 m Höhe wurde in 4½ Tagen gebaut.]
Die dritte Stufe bezeichnet nach dem Vorspiel des russisch-japanischen Krieges [Das moderne Japan gehört ebenso zur abendländischen Zivilisation wie das »moderne« Karthago von 300 v. Chr. zur antiken.] der Weltkrieg, der die Luft- und Unterseewaffen in seinen Dienst stellte, das Tempo der Erfindungen zu einer neuen Waffe erhob, und mit dem vielleicht der Umfang, aber durchaus noch nicht die Intensität der verwendeten Mittel den Höhepunkt erreicht hat. Aber dem Aufwand an Kraft entspricht denn auch allenthalben in diesem Zeitalter die Härte der Entscheidungen. Gleich am Eingang der chinesischen Periode
tschan-kuo
steht die vollständige Vernichtung des Staates Wu (472), die unter den ritterlichen Sitten der voraufgegangenen Periode
tschun-tsiu
nicht möglich gewesen wäre; Napoleon überschritt schon im Frieden von Campo Formio bei weitem die Konvenienz des 18. Jahrhunderts und begründete seit Austerlitz eine Gewohnheit der Ausnützung von kriegerischen Erfolgen, für die es andere als materielle Schranken überhaupt nicht mehr gab. Den letzten noch möglichen Schritt vollzieht der Typus des Versailler Friedens, der gar keinen Abschluß mehr enthalten will, sondern die Möglichkeit offen läßt, aus jeder Neugestaltung der Lage heraus neue Bedingungen zu stellen. Dieselbe Entwicklung zeigt die Folge der drei Punischen Kriege. Der Gedanke, eine der führenden Großmächte von der Erdoberfläche zu vertilgen, wie er durch Catos ganz nüchtern gemeintes
Carthaginem esse delendam
jedem geläufig geworden war, ist dem Sieger von Zama nicht in den Sinn gekommen und würde trotz der wilden Gewohnheiten der antiken Polis dem Lysander, als er Athen bezwungen hatte, wie ein Frevel an allen Göttern erschienen sein.
Die Zeit der kämpfenden Staaten beginnt für die Antike mit der Schlacht bei Ipsus (301), durch welche die Dreizahl der östlichen Großmächte festgelegt wurde, und dem römischen Sieg von Sentinum (295) über Etrusker und Samniten, der im Westen neben Karthago noch eine mittelitalische Großmacht schuf. Das antike Haften an der Nähe und Gegenwart hat dann aber bewirkt, daß Rom, ohne beobachtet zu werden, durch das Abenteuer mit Pyrrhus den italischen Süden, durch den ersten Krieg mit Karthago das Meer, durch C. Flaminius den keltischen Norden gewann, und daß selbst Hannibal noch unverstanden blieb, vielleicht der einzige Mensch seiner Zeit, die Römer nicht ausgenommen, der den Gang der Entwicklung deutlich voraussah.
Bei Zama
und nicht erst bei Magnesia und Pydna sind auch die hellenistischen Ostmächte besiegt worden. Es war ganz umsonst, wenn der große Scipio mit wahrer Angst vor dem Schicksal, dem eine mit den Aufgaben der Weltherrschaft belastete Polis entgegenging, von nun an jede Eroberung zu vermeiden suchte. Es war umsonst, wenn seine Umgebung gegen den Willen aller Kreise den makedonischen Krieg durchsetzte, nur um den Osten dann gefahrlos sich selbst überlassen zu können. Der Imperialismus ist ein so notwendiges Ergebnis jeder Zivilisation, daß er ein Volk im Nacken packt und in die Herrenrolle stößt, wenn es sie zu spielen sich weigert. Das römische Reich ist
nicht
erobert worden. Der
orbis terrarum
hat sich in diese Form hineingedrängt und die Römer gezwungen, ihr den Namen zu geben. Das ist ganz antik. Während die chinesischen Staaten auch noch den letzten Rest ihrer Selbständigkeit in erbitterten Kriegen verteidigt haben, ging Rom seit 146 nur deshalb an die Verwandlung der östlichen Ländermasse in Provinzen, weil es ein anderes Mittel gegen die Anarchie nicht mehr gab. Und auch das hatte zur Folge, daß die innere Form Roms, die letzte, die noch aufrecht geblieben war, sich unter dieser Belastung in den gracchischen Unruhen auflöste. Es ist ohne Beispiel, daß hier der Endkampf um das Imperium überhaupt nicht
Weitere Kostenlose Bücher