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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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mehr zwischen Staaten stattfindet, sondern zwischen den Parteien einer Stadt; aber die Form der Polis ließ einen andern Ausweg gar nicht zu. Was einst Sparta und Athen gewesen war, heißt jetzt Optimaten- und Popularpartei. In der gracchischen Revolution, der 134 schon der erste Sklavenkrieg voraufging, wurde der jüngere Scipio heimlich ermordet und C. Gracchus öffentlich erschlagen: das sind der erste Prinzeps und der erste Tribun als die politischen Mittelpunkte einer formlos gewordenen Welt. Wenn die stadtrömische Masse 104 zum erstenmal ein Imperium in gesetzloser und tumultuarischer Weise einem Privatmann – Marius – übertrug, so ist die tiefere Bedeutung dieses Schauspiels der Annahme des mythischen Kaisertitels durch Tsin 288 vergleichbar: der unvermeidliche Ausgang des Zeitalters, der Cäsarismus, zeichnet sich plötzlich am Horizont.
    Der Erbe des Tribunen ist Marius, der wie jener den Mob mit der Hochfinanz verbindet und 87 den alten Adel in Masse hinmordet; der Erbe des Prinzeps war Sulla, der 82 den Stand der großen Geldleute durch seine Proskriptionen vernichtet hat. Von nun an vollziehen sich die letzten Entscheidungen schnell, wie in China seit dem Auftreten des Wang-dscheng. Der Prinzeps Pompejus und der Tribun Cäsar – Tribun nicht dem Amte, aber der Haltung nach – vertreten noch Parteien, aber sie haben auch schon in Lucca zusammen mit Crassus zum ersten Male die Welt unter sich verteilt. Als bei Philippi die Erben gegen die Mörder Cäsars kämpften, waren es nur noch Gruppen; bei Actium waren es nur noch Einzelpersonen: damit ist auch auf diesem Wege der Cäsarismus erreicht.
    Der entsprechenden Entwicklung innerhalb der arabischen Welt liegt statt der körperhaften Polis der magische
consensus
als die Form zugrunde, in welcher und durch welche die Tatsachen sich vollziehen, und die eine Trennung politischer und religiöser Tendenzen bis zu dem Grade ausschließt, daß selbst der städtische, bürgerliche Drang nach Freiheit, mit dessen Ausbrüchen das Zeitalter der kämpfenden Staaten auch hier beginnt, in orthodoxer Verkleidung erscheint und deshalb bis jetzt kaum bemerkt worden ist. [Für die politisch-soziale Geschichte der arabischen Welt fehlt es ebenso an jeder tiefer dringenden Untersuchung wie für die chinesische. Nur die bis jetzt für antik gehaltene Entwicklung des Westrandes bis auf Diokletian macht eine Ausnahme.] Es ist das Loswollen vom Kalifat, das einst von den Sassaniden und nach deren Vorbild von Diokletian in den Formen des Feudalstaates begründet worden war. Es hatte seit Justinian und Chosru Nuschirwan den Ansturm der Fronde zu bestehen, in dem neben den Häuptern der griechischen und der mazdaischen Kirche der persisch-mazdaische Adel vor allem des Irak, der griechische vor allem Kleinasiens und der nach beiden Religionen gespaltene armenische Hochadel voranstehen. Der im 7. Jahrhundert schon fast erreichte Absolutismus ist dann durch den Ansturm des in seinen
politischen
Anfängen streng aristokratischen Islams plötzlich gestürzt worden. Denn von dieser Seite aus betrachtet bilden die wenig zahlreichen Arabergeschlechter, [Es sind einige tausend, die im Gefolge der ersten Eroberer sich von Tunis bis nach Turkestan verbreiten und überall sofort einen in sich geschlossenen Stand in der Umgebung der neuen Machthaber bilden; von einer »arabischen Völkerwanderung« kann gar keine Rede sein.] die allenthalben die Führung in der Hand behalten, in den eroberten Ländern sehr bald einen neuen Hochadel von starker Rasse und ungeheurem Selbstgefühl, der die islamische Dynastie auf den Rang der »gleichzeitigen« englischen herabdrückt. Der Bürgerkrieg zwischen Othman und Ali (656–61) ist der Ausdruck einer echten Fronde und bewegt sich ausschließlich um die Interessen zweier Sippen und ihres Anhangs. Die islamischen Tories und Whigs des 8. Jahrhunderts machen wie die englischen des 18. die große Politik
allein,
und ihre Koterien und Familienzwiste sind für die Geschichte der Zeit wichtiger als alle Ereignisse im regierenden Hause der Ommaijaden (661–750).
    Aber mit dem Sturz dieser heitren und aufgeklärten Dynastie, die in Damaskus, also im westaramäischen – und monophysitischen – Syrien residiert hatte, wird der natürliche Schwerpunkt der arabischen Kultur wieder bemerkbar: das ostaramäische Gebiet, einst Stützpunkt der Sassaniden, jetzt der Abbassiden, das, gleichviel ob von persischer oder arabischer Bildung, mazdaischer, nestorianischer

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