Der Untergang
hat.«
Zaghafter Applaus wurde laut, als Bason sich verbeugte, und brandete auf, als Abu Dun auf die Bühne
stieg und seinen schwarzen Mantel zurückschlug, unter dem ein kupferfarbener Brustharnisch und der
Griff seines Krummsäbels zum Vorschein kamen.
Andrej beobachtete die Szene mit gemischten Gefühlen. Abu Dun als Geschichtenerzähler, das ging noch
an, aber es fiel ihm einfach schwer, zu glauben, dass der Nubier sich tatsächlich freiwillig vor einem
halben Hundert wildfremder Menschen zum Narren machen sollte; schon gar nicht nach dem, was am
Vormittag zwischen ihnen vorgefallen war. Und doch schien Abu Dun genau dies vorzuhaben, denn er
stolzierte nicht nur gemessenen Schrittes über die Bühne, sondern nahm schließlich breitbeinig und mit
verschränkten Armen hinter Bason Aufstellung. Und er überragte den Jungen wie ein Fleisch gewordener
Berg, der sich alle Mühe gab, das Publikum mit möglichst finsterem Gesicht zu mustern. Das Johlen und
Klatschen hielt an, und es mischte sich auch der eine oder andere anerkennende Pfiff hinein. Andrej
musste zugeben, dass Abu Dun selbst in der Rolle des Hanswurst immer noch Respekt gebietend und
Furcht einflößend wirkte, wie er so dastand mit seinem riesigen Turban, sicherlich sieben Fuß groß, ein
Koloss, dem man ansah, dass sich unter den enormen Fleischmassen stahlharte Muskelpakete verbargen.
»Abu Dun, der gewaltigste Schwertkämpfer des Orients«, sagte Bason mit dramatisch erhobener Stimme.
»In der Sprache seiner Heimat bedeutet sein Name Vater des Todes, und wie Sie gleich sehen werden,
geschätztes Publikum, trägt er seinen Namen zu Recht.«
Der Applaus wurde für einen Moment geradezu frenetisch.
Bason verbeugte sich noch einmal und verschwand dann mit schnellen Schritten hinter der Bühne,
während Abu Dun weiter reglos stehen blieb und das Publikum musterte, als wäre er auf der Suche nach
jemandem, den er mit Haut und Haaren verschlingen konnte.
»Dein Freund ist ein beeindruckender Mann, das muss man ihm lassen«, sagte eine Stimme neben ihm.
Andrej wandte den Kopf und erkannte Laurus, der sich seinen Weg durch die Menschenmenge gebahnt
hatte, um an seine Seite zu gelangen.
Hinter ihm kam eine zweite, etwas kleinere Gestalt näher, und Andrej wäre um ein Haar zusammen
gefahren, als er sah, dass es Elena war. Er gab sich Mühe, sie nicht direkt anzusehen, ohne ihrem Blick
dabei allzu offen auszuweichen. »Ist er wirklich so gefährlich, wie er aussieht, und wie Bason
behauptet?«, wollte Laurus wissen.
»Nicht, wenn man sein Freund ist«, erwiderte Andrej.
»Und was sagen seine Feinde über ihn?«, wollte Elena wissen.
Andrej hob die Schultern. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
»Bisher hat noch keiner von ihnen lange genug überlebt, als dass ich ihn hätte fragen können.«
Laurus lachte leise. Elena drängte sich mit sanfter Gewalt zwischen sie und hakte sich zuerst bei ihrem
Mann, und dann ganz unverblümt bei Andrej unter. Andrej erstarrte für einen Moment, aber Laurus
schien daran nichts Ungewöhnliches zu finden, und genau genommen war es ja nichts weiter als eine
freundschaftliche Geste unter Menschen, die nach einem langen, arbeitsreichen Tag ein wenig ausgelassen
feierten.
Wenigstens wäre es das gewesen, hätte das Gefühl von Elenas bloßer Nähe und ihre Berührung ihn nicht
beinahe in den Wahnsinn getrieben. Für einen Moment musste er mit aller Kraft gegen den Impuls
ankämpfen, sie einfach an sich zu reißen und zu küssen, und zugleich wäre er am liebsten schreiend
davongelaufen.
»Ungläubige!«, schrie Abu Dun von der Bühne herab.
»Fürchtet euch, denn Abu Dun ist gekommen, der Vater des Todes, um in Allahs Namen die Gottlosen zu
zerschmettern und die zu bestrafen, die es wagen, an den Worten des Propheten zu zweifeln!«
Elena lachte leise, und auch Laurus verzog kurz das Gesicht, aber Andrej war überhaupt nicht zum
Lachen zumute. Er starrte Abu Dun fast entsetzt an. Die meisten Zuschauer - die Sinti eingeschlossen lachten herzhaft, aber einige wirkten auch irritiert, und vielleicht diente das eine oder andere Lachen auch
nur dazu, den eigenen Schreck zu überspielen. Wenn Abu Dun auf Wirkung gezielt hatte, so hatte er
Erfolg. Aber er spielte mit dem Feuer, und eigentlich sollte er das auch wissen. »Ja, lacht nur, ihr
Ungläubigen! Lacht, solange ihr noch könnt! Denn ich, Abu Dun, der Vater des Todes, bin gekommen, um
euch herauszufordern und die zu bestrafen, die es wagen, an Allahs Allmacht zu zweifeln!«
Elena lachte
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