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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seinen beiden Begleitern, aber er hoffte inständig, dass sie nicht gekommen
waren, um Ärger zu machen.
»Ihr erinnert Euch doch an mich?«, fragte der Krämer, während er einige Schritte vor Andrej stehen blieb
und ihn unsicher ansah. Andrej nickte. »Selbstverständlich.«
»Dann bin ich erleichtert«, sagte der Krämer. »Ihr hattet mir versprochen, dass meine Familie und ich uns
Eure Vorstellung ansehen dürfen«, fuhr der Mann fort. Er wirkte verkrampft und sprach in einem Tonfall,
als wäre er fest davon überzeugt, dass Andrej seine Bitte einfach abschlagen musste. »Gilt Euer Wort
noch?«
»Unser Wort gilt immer«, sagte Andrej, bemühte sich aber, dieser Aussage mit einem Lächeln die Schärfe
zu nehmen, die man leicht darin vermuten konnte.
»Kommt mit«, sagte er. »Ich bringe Euch zu den anderen und sage Bescheid, dass ihr nichts bezahlen
müsst.«
Der Krämer wirkte erleichtert und erschreckt zugleich, als bekäme er allmählich Angst vor der eigenen
Courage, und Andrej fragte sich, warum er überhaupt hierher gekommen war.
Sicher nicht, um den Gauklern und Feuerschluckern zuzusehen.
Er wartete vergeblich darauf, dass der Mann noch irgend etwas sagte und ging schließlich mit einer
einladenden Geste voraus.
Es war das erste Mal, dass er das Lager am Abend und Laurus’ Sippe in einer solch ausgelassenen
Stimmung erlebte, und gleich, ob aufgesetzt oder nicht, sie wirkte ansteckend. Als sie die Bühne
erreichten, auf der gerade ein Feuerschlucker seine Fertigkeiten zum Besten gab und dabei sein
Möglichstes zu tun schien, um die Dekoration und am besten gleich das ganze Lager in Brand zu setzen,
da fühlte er sich zwar alles andere als fröhlich, aber seine niedergeschlagene Stimmung war trotzdem einer
heiteren Gelassenheit gewichen. Als er nach jemandem Ausschau hielt, in dessen Obhut er seine vier
Gäste geben konnte, entdeckte er Abu Dun. Der Nubier stand ein Stück entfernt inmitten einer kleinen
Menschenansammlung und prahlte mit lauter Stimme von zurückliegenden Abenteuern und überstandenen
Gefahren. Zu Andrejs Verwunderung entdeckte er auch Laurus unter den Zuhörern, die den Worten des
Nubiers gebannt folgten, und vielleicht zum ersten Mal, seit sie hierher gekommen waren, sah der Sinti
nicht übellaunig oder besorgt aus, sondern schien ganz in Abu Duns Erzählung versunken zu sein. Die fast
kindliche Begeisterung, die Andrej auf seinen Zügen entdeckte, unterschied sich in nichts von der auf den
Gesichtern der anderen.
Natürlich entdeckte ihn Abu Dun, als er näher kam, doch der Freund ignorierte ihn und fuhr nicht nur fort,
seine haarsträubenden Geschichten zu erzählen, sondern trumpfte sogar noch mehr auf. Andrej machte
sich nicht die Mühe, wirklich hinzuhören, aber auf seinem Gesicht begann sich ein amüsiertes Lächeln
auszubreiten, während er langsam näher schlenderte.
Abu Dun sah zwar aus wie ein Dschinn aus einem arabischen Märchen, der gekommen war, um die
gesamten christlichen Kreuzfahrerheere auf einmal zu verspeisen. Aber er war auch ein ausgezeichneter
Geschichtenerzähler, und er tat dies auf seine typisch orientalische, blumige Art so perfekt, dass er seine
Zuhörer fast immer in seinen Bann zog und es keine Rolle spielte, ob sie ihm seine Geschichten glaubten
oder nicht. Wären die Zeiten anders gewesen, dachte Andrej mit einem Anflug von Trauer, dann wäre
Abu Dun jetzt vielleicht ein reicher Mann. Mit einem solchen Talent wäre es ihm gewiss nicht schwer
gefallen, als Märchenerzähler von Stadt zu Stadt zu ziehen und die Zuhörer in Scharen anzulocken.
Abu Dun war am Ende seiner Geschichte angelangt. Die Zuhörer applaudierten - Laurus eingeschlossen -,
und der Beifall war noch nicht ganz verebbt, da erschien Bason auf der Bühne und nahm den Platz des
Feuerschluckers ein.
»Geehrte Gäste!«, rief er mit tragender Stimme. »Und nun kommen wir zum Höhepunkt des Abends. Das
Talent als Geschichtenerzähler unseres verehrten Gastes aus dem fernen Morgenland habt Ihr ja nun
schon kennen gelernt, und doch ist das nichts gegen das, was Euch jetzt erwartet! Unser hoch geschätzter
Gast, der in seiner Heimat vom gefürchteten Piraten fast bis zum Kalifen von Bagdad aufgestiegen ist,
übernimmt nun die Hauptrolle in einem Drama, das eigens für Sie, verehrte Gäste, geschrieben wurde, und
in dem Sie den verzweifelten Kampf christlicher Kreuzfahrer gegen die heidnischen Horden der
Muselmanen miterleben können, wie er sich in längst vergangener Zeit wirklich abgespielt

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