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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch bevor Elena etwas
sagen konnte, was die Situation nur verschlimmern würde, trat er daher einen Schritt vor. »Verratet uns,
womit wir uns Euren Zorn zugezogen haben«, sagte er. »Wir sind doch vernünftige Menschen. Man kann
doch über alles reden.«
Die dunklen Augen des Müllers blitzten auf, und Andrej spürte, dass er einen Fehler gemacht hatte,
wenngleich er auch nicht wusste, welchen. »Vernünftige Menschen?«, stieß Handmann hervor. Er hatte
den Arm gesenkt, sodass das rote Licht der Kerze nun sein Gesicht von unten beschien, Was ihm einen
völlig veränderten, fast dämonischen Ausdruck, verlieh. »Ich weiß nicht, wer du bist, Mann. Du redest
anders als diese Hexe, und du siehst auch nicht aus wie einer von ihrem Volk. Aber was sie und
ihresgleichen angeht, so sind sie für mich keine Menschen. Sie haben mir nichts getan. Aber das müssen
sie auch nicht, damit ich weiß, womit ich es zu tun habe.«
Er hätte vermutlich noch mehr und noch sehr viel Unangenehmeres gesagt, doch in diesem Moment
ertönte hinter ihnen ein leises Knacken, und eine dunkel gekleidete Gestalt kam auf dem Weg auf sie zu.
Im ersten Moment hätte Andrej sie für Abu Dun halten können, doch als sie einen Schritt näher kam, sah
er, dass der Neuankömmling ein gutes Stück kleiner als der Nubier war. Auch trug er keinen schwarzen
Kaftan samt dazugehöriger Kopfbedeckung, sondern eine einfache braune Kutte, und sein einziger
Schmuck war ein kleines Holzkreuz, das an einer geflochtenen Kordel um seinen Hals hing.
Es war Bruder Flock, der Geistliche, den er am Morgen in der Stadt getroffen hatte. Allerdings wirkte er
jetzt nicht mehr annähernd so freundlich wie noch vor Stunden. Seine Miene hatte sich verfinstert, und in
seinen Augen funkelte mühsam unterdrückter Zorn. Ohne Andrej oder Elena auch nur eines Blickes zu
würdigen, marschierte der Geistliche geradewegs zwischen ihnen hindurch und auf den Müller zu, der
instinktiv ein Stück in den Schutz seines Hauses zurückwich. »Ist es das, was ich Euch gelehrt habe,
Handmann?«, fragte Flock, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten. »Hast du die Worte des Herrn
tatsächlich schon vergessen? Du sollst nicht falsches Zeugnis reden, wider deinen Nächsten.«
Der Müller wirkte für einen Moment verunsichert, fast eingeschüchtert, dann aber straffte er die Schultern
und reckte trotzig das Kinn vor. »Es heißt auch, du sollst keine anderen Götter haben neben mir«, stießt er
hervor. »Ich werde diesen Heiden nichts verkaufen.«
Der Ausdruck auf dem Gesicht des Geistlichen änderte sich. Er wirkte jetzt eher traurig denn wütend.
Drei, vier Atemzüge lang sah er sein Gegenüber unverwandt an, doch als die erhoffte Reaktion ausblieb,
wandte er sich mit einem enttäuschten Seufzer an Andrej. »Es tut mir leid, Andreas«, sagte er. »Ich bitte
Euch, schließt nicht von diesem aufbrausenden Narren auf alle anderen Menschen hier.«
»Ganz bestimmt nicht«, sagte Elena, noch bevor Andrej antworten konnte, in einem Ton, der ihre Worte
Lügen strafte.
Darüber hinaus hatte sie sich zumindest äußerlich hervorragend im Griff, aber Andrej spürte den Zorn, der
hinter der fast maskenhaften Starre ihres Gesichts brodelte. »Viele Eurer Brüder haben wir ja bereits
kennen gelernt. Und bei den meisten hatte ich das Gefühl, dass sie die Bedeutung des Wortes
“Gastfreundschaft” noch kennen.«
»Gastfreundschaft!« Handmann stieß das Wort hervor wie etwas Obszönes. »Du hast sie mit deinen
Hexenkräften verzaubert! Nimm deinen Bann von ihnen, und wir werden sehen, was sie unter
Gastfreundschaft verstehen!«
»Handmann!«, schnappte Flock. »Das ist jetzt aber wirklich genug!«
Tatsächlich verstummte der Müller, aber sein Blick wanderte unstet zwischen Elenas und dem Geistlichen
hin und her, und Andrej hätte seiner besonderen Fähigkeiten nicht bedurft, um zu begreifen, dass der
Respekt, welcher der Grund seines plötzlichen Schweigens war, einzig Flocks Gewand galt, nicht ihm, und
schon gar nicht dem, was er sagte.
»Ich … mache Euch einen Vorschlag«, sagte Andrej, zögernd und mit einem warnenden Seitenblick in
Elenas Richtung. Der Müller antwortete nicht, sah ihn aber fragend an, und Andrej fuhr mit einem
bemühten Lächeln fort: »Wir Zahlen Euch den üblichen Preis, und wir werden auch Euren Freunden in
der Stadt noch einen angemessenen Nachschlag Zahlen.«
Er konnte hören, wie Elena scharf die Luft einsog, und Flock sah ihn stirnrunzelnd an. Aber Handmann
reagierte nicht

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