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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Besitz zu
ergreifen. Noch weigerte er sich zu glauben, dass Elena tatsächlich irgend etwas zugestoßen sein könnte,
aber allein die Vorstellung, sie tatsächlich verloren zu haben und allein ins Lager der Sinti zurückzukehren,
war ihm überaus zuwider.
Stattdessen blieb er erneut stehen, schloss die Augen und lauschte erneut angestrengt in die Nacht hinaus.
Und nach einer Weile hörte er tatsächlich etwas, das sich von den normalen Geräuschen des Waldes
unterschied. Es waren Schritte, sehr weit entfernt und so leise, dass es ihm im ersten Augenblick nicht
möglich war, die Richtung zu lokalisieren, aus der sie kamen, und er im zweiten erschrak, als ihm klar
wurde, wie weit sich Elena bereits von ihm entfernt hatte. Sicher, sie war schnell und zornig
davongegangen, aber er hatte auch nur noch wenige Augenblicke mit Flock gesprochen, bevor er ihr
gefolgt war.
Doch auch, wenn er die bisweilen irreführende Akustik des Waldes in Rechnung Stellte, musste sie
mindestens eine Viertelmeile von ihm entfernt sein, und um das zu schaffen, hätte sie schon rennen
müssen …
Der Gedanke lieferte seiner Beunruhigung neue Nahrung, und diesmal gab er dem Gefühl nach. Schon
eilte er so schnell durch den nächtlichen Wald, wie er es gerade noch vermochte, ohne sich trotz seiner
scharfen Augen in der Dunkelheit zu verletzen und mit dem Lärm, den er beim Rennen verursachen
würde, das Geräusch von Elenas Schritten zu übertönen und sie womöglich endgültig zu verlieren.
Tatsächlich musste er sich ab und an beherrschen, nicht einfach wieder loszustürmen. Stattdessen zwang
er sich nach einer Weile sogar dazu, noch langsamer zu gehen und aufmerksamer zu lauschen, und da fiel
ihm etwas auf. Das Geräusch der Schritte war noch immer nicht wirklich näher gekommen, aber er war
sich keineswegs mehr sicher, ob er tatsächlich nur eine einzelne Person verfolgte … Und wer immer es
war, er oder sie schienen tatsächlich zu rennen.
Andrej war jetzt nicht mehr nur beunruhigt, er war alarmiert.
Kurz hielt er noch einmal inne, um sich zu orientieren, dann warf er alle Bedenken über Bord und lief los.
Als er das nächste Mal stehen blieb, war das Geräusch der Schritte vor ihm plötzlich verschwunden. Er
lauschte und hielt den Atem an. Stimmen. Irgendwo vor ihm, nicht mehr sehr weit entfernt, waren
Stimmen. Er konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde, aber der Tonfall war scharf. Ein gehetztes
Flüstern, das die Anspannung der Sprechenden verriet. Nicht unbedingt ein Streit, aber etwas, in dem ein
Unterton von Drohung und bebendem Zorn mitschwang.
Vielleicht, dachte er beunruhigt, ist der Müller ja nicht der einzige hier, der Elenas Zauber widerstanden
hat, und vielleicht war Flocks Warnung ernster gemeint, als ich wahrhaben wollte … Andrej setzte sich
wieder in Bewegung, langsamer diesmal und so leise, wie es ihm möglich war, und legte vorsichtshalber
die Hand auf den Schwertgriff. Er konnte jetzt ganz klar die Anwesenheit mehrerer Menschen spüren.
Und nach einer kurzen Weile wurden nicht nur die Stimmen deutlicher - er konnte sie immer noch nicht
verstehen, was daran lag, dass man in einer Sprache miteinander redete, die ihm nicht geläufig war -,
sondern er sah auch blasses Mondlicht vor sich durchs Unterholz schimmern. Etwas reflektierte den Glanz
hell und seidig, und in einem Rhythmus, der nicht ins natürliche Licht-und-Schattenspiel des Nachtwaldes
passte: Elenas Kleid.
Doch mit wem sprach sie da?
Angestrengt starrte Andrej in ihre Richtung, konnte aber nicht mehr als zwei oder drei verschwommene
Schemen erkennen.
Vorsichtig ging er weiter, aber er hatte den zweiten Schritt noch nicht getan, da kam hektische Bewegung
in die Silhouetten auf der anderen Seite der Büsche, ja, sie schienen für einen Moment miteinander zu
verschmelzen und gleichzeitig auch in alle Richtungen auseinander zu treiben wie Mondlicht, das sich auf
Wasser spiegelt, in das man einen Stein geworfen hatte - und waren dann verschwunden. Nur Elena blieb
zurück und drehte sich plötzlich ruckartig zu ihm um.
Im Geiste verfluchte sich Andrej für seine Ungeschicklichkeit; er musste wohl mit einem verräterischen
Geräusch oder einer zu hastigen Bewegung auf sich aufmerksam gemacht haben.
Und so trat er aus seiner Deckung heraus.
»Mit wem hast du geredet?«, fragte er, noch bevor Elena Gelegenheit hatte, auch nur ein Wort zu sagen.
»Geredet?« Der Ausdruck auf ihrem Gesicht strafte ihren übertrieben erstaunten Tonfall Lügen. Sie sah
nicht verwirrt

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