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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stickigen Luft im Zelt kein Wunder war, und der
schlechte Geschmack in seinem Mund war bestimmt einfach die Folge eines leeren Magens, denn er hatte
seit gestern Mittag nichts mehr gegessen. Und selbst, dass er so lange geschlafen hatte, war vielleicht nur
natürlich. Die letzten Monate waren überaus anstrengend gewesen, die unerträgliche Hitze der
zurückliegenden Wochen forderte auch von ihm ihren Tribut, und gewiss brauchte auch ein Unsterblicher
dann und wann eine Zeit der Erholung …
Er stand ganz auf und griff nach dem Hemd, das er am vergangenen Abend achtlos zu Boden geworfen
hatte. Das erinnerte ihn an ein anderes Kleidungsstück, welches gestern ebenso achtlos fallen gelassen
worden war, sodass er für einen winzigen Moment stockte, ehe er sich hastig ankleidete und aus dem Zelt
trat.
Es war nicht so heiß, wie er erwartet hatte. Es war heißer. Die Luft über dem Zigeunerlager flimmerte,
und jede Zeltbahn, jedes Kleidungsstück, jedes Fitzelchen Metall schien das Sonnenlicht zu reflektieren
wie ein Spiegel, sodass er im ersten Moment fast blind war, bis sich seine Augen an die erbarmungslose
Helligkeit gewöhnt hätten. Draußen war es fast so stickig wie im Zelt, und die misstönende Musik, die ihn
geweckt hatte, war hier natürlich noch lauter.
Er war nicht einmal ganz sicher, ob es wirklich Musik war.
Im Verlauf des vergangenen Jahres hatten sie mehr als ein Dutzend Zigeunerfamilien besucht, und er hatte
genug Erfahrung mit den aufpeitschenden, schnellen Rhythmen ihrer
Musik, um sagen zu können, dass er so etwas noch nie gehört hatte; schrille, atonale Rhythmen, deren
Takt und Lautstärke unentwegt wechselten, und die manchmal gegeneinander zu spielen schienen.
Klänge, die misstönend hätten sein müssen, es sonderbarer Weise aber nicht waren und sogar etwas in ihm
anrührten.
Verwirrt sah er sich nach der Ursache des Lärms um und entdeckte sie schließlich in der Mitte des Lagers,
dort, wo Laurus’ Sippe am vergangenen Tag das hölzerne Podest auf gebaut hatte. Ein Großteil des Clans wenn nicht alle - hatten sich dort versammelt, und als er genauer hinsah, entdeckte er zwischen ihnen
auch Abu Dun. Wenngleich nicht unbedingt zwischen ihnen …
Der schwarze Hüne stand zusammen mit zwei jungen Sinti auf der Bühne, und im ersten Moment erschrak
Andrej, denn er glaubte, einen Kampf auf Leben und Tod zu beobachten. Doch auf den zweiten Blick
entpuppte sich das, was nach einem erbitterten Gefecht aussah, als ebenso albernes wie unwürdiges
Schauspiel.
Abu Dun, der sowohl die Menschenmenge als auch seine beiden Gegner überragte wie ein Dschinn aus
den alten Legenden seiner Heimat, verteidigte sich mit wuchtigen Schwerthieben gegen zwei junge
Männer, die mit Schilden, Schwertern und Brustharnischen bewaffnet waren und ihn mal abwechselnd,
mal gleichzeitig attackierten. Nur, dass diese Kampfausrüstung aus bunt bemaltem Holz bestand. Zudem
trugen die Akteure lächerliche Helme aus Pappmaschee, die von bunten Federbüschen gekrönt wurden.
Und um das Maß voll zu machen, führten sie nicht nur ihre Attacken im Takt der bizarren Musik aus,
sondern Abu Dun tat mit seinen Paraden und Gegenangriffen das gleiche. Im Gegensatz zu den beiden
jungen Männern war er mit seinem eigenen Krummsäbel bewaffnet, den er mit großer Kraft und
Geschicklichkeit schwang, sodass es ihm ein Leichtes war, die Angriffe nicht nur abzuwehren, sondern
immer wieder die Deckung der beiden zu durchbrechen und halbherzige Hiebe und Stiche auszuführen.
Die Zuschauermenge quittierte jeden dieser Angriffe mit johlendem Beifallrufen und Klatschen. Während
Andrej langsam auf das Podest zuschlenderte, versuchte er sich darüber klar zu werden, ob er das groteske
Theater nun lächerlich, dumm oder möglicherweise gar peinlich finden sollte.
Als er näher kam, wurden einige der Sinti auf ihn aufmerksam.
Köpfe wurden zusammengesteckt, es wurde getuschelt und auch der eine oder andere verstohlene Blick
ausgetauscht. Auf einigen Gesichtern glaubte Andrej gar einen betroffenen Ausdruck zu erkennen. Die
meisten Zigeuner jedoch winkten ihm freundlich zu, und einige bedeuteten ihm sogar, näher zu kommen.
Unbewusst suchte sein Blick nach Elena, aber er konnte weder sie noch ihren Mann in der Menge
erkennen.
Dafür eilte Bason ihm entgegen, aufgeregt mit beiden Händen gestikulierend und einen Ausdruck echter
Freude auf dem Gesicht. »Andreas! Endlich bist du wach! Ich hatte schon Angst, ich müsste einen Eimer
Wasser verschwenden, um dich

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