Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hätte blind und schwachsinnig sein müssen, um das zu wissen.
Mühsam, und mit belegter Stimme antwortete er: »Ich bin ein Ehrenmann, Elena.« Das war albern, und es
klang genau dem, was es war: Das Erstbeste, was ihm eingefallen
Elena lachte, ließ sich in die Hocke sinken und spritzte sich mit beiden Händen Wasser über Brust und
Schultern, ehe sie sich wieder aufrichtete. »Ein Ehrenmann?«, wiederholte sie spöttisch. »Nun ja, ich hatte
gehofft, dass du zumindest ein Mann bist.«
Andrej hätte nicht einmal mehr antworten können, selbst wenn er gewollt hätte. Es fiel ihm immer
schwerer, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Irgendwo, ganz tief in ihm, war noch ein kleiner
Rest von Vernunft, der mit leiser werdender Stimme fragte, wieso er eigentlich derartig heftig auf ihren
Anblick reagierte.
Elena war weiß Gott nicht die erste Frau, die er nackt sah, nicht einmal die erste, die sich ihm so offen
anbot, und auch nicht die schönste - selbst wenn er sich eingestehen musste, er sie bisher falsch
eingeschätzt hatte. Plötzlich war es ihm nicht mehr möglich, ihr Alter zu schätzen. War es zuvor schon
schwierig gewesen zu sagen, ob sie fünfundzwanzig war, die Dreißig schon hinter sich hatte oder sich
bereits auf die Vierzig zubewegte, so schien sie jetzt vollkommen alterslos zu sein. Plötzlich war sie Kind,
Mädchen und reife Frau zugleich.
Ihre Haut, die vom Mondlicht in ein silbernes Kleid aus fließendem Licht gehüllt zu sein schien, war
makellos und schimmerte wie Seide, das schwarze Haar fiel wie ein Wasserfall aus Gestalt gewordener
Nacht über ihre Schultern, und ihre Augen glichen grundlosen Seen, erfüllt von einem Versprechen, das er
niemals einzufordern wagen würde.
Nein - sie war nicht die schönste Frau, die er je gesehen hatte:
Ihre Züge waren ebenmäßig, hatten aber einen leicht slawischen Einschlag, der sie exotisch aussehen ließ,
zugleich aber auch den Unterschied zu einer klassischen Schönheit ausmachte. Ihre Lippen waren ein
wenig zu voll und sinnlich für ihr ansonsten schmales Gesicht, ihre Brüste ein wenig zu schwer und ihre
Hüften eine Kleinigkeit zu ausgeprägt, um seinem persönlichen Schönheitsideal zu entsprechen.
Dennoch hatte er nie zuvor eine Frau gesehen, die ihn so erregte …
Und dann begriff er.
Er hatte nie zuvor eine Frau gesehen, die so weiblich war wie Elena. Wenn es einen Menschen gab, der
die Bezeichnung Frau zu Recht trug, dann sie.
»Warum tust du das?«, fragte er leise.
Elena sah mit unschuldigem Blick zu ihm auf und fragte:
»Was?«
»Du weißt genau, was ich meine«, antwortete Andrej. Warum tat sie ihm das an? Und vor allem: Was
würde geschehen, wenn er sie nahm?
»Das weißt du doch genau, Andreas«, antwortete Elena, immer noch lächelnd, aber in verändertem,
sonderbar ernstem Tonfall.
»Was ist los mit dir? Hast du ein Keuschheitsgelübde abgelegt oder gefalle ich dir nicht?«
»Du gehörst mir nicht«, sagte er. Und doch war dies ganz und gar nicht der Grund dafür, dass er hier am
Ufer stehen blieb und all seine Willenskraft aufbot, um auch weiter hier stehen zu bleiben. Trotzdem fuhr
er fort: »Laurus hat mich in eurer Familie aufgenommen, und -«
»Laurus!« Elena machte eine wegwerfende Handbewegung. »Laurus ist ein braver, pflichtbewusster
Mann, der gut für mich und meine Brüder sorgt.
Aber er ist auch ein alter Mann. Ich könnte seine Tochter sein.
Zerbrich dir über ihn nicht den Kopf, Andreas. Laurus hat immer gewusst, dass er mich zwar zum Weib
nehmen kann, ich ihm aber niemals gehöre«
»Du meinst, es würde … ihm nichts ausmachen?« Elena schüttelte den Kopf. »Das hab ich nicht gesagt«,
antwortete sie. »Aber du bist nicht der erste andere Mann in meinem Leben, Andreas. Wir reden zwar
nicht darüber, aber Laurus ist nicht dumm.«
Andrej starrte sie immer noch mit klopfendem Herzen mittlerweile nicht mehr nur zitternden Händen,
sondern auch Knien an. Und dann änderte sich etwas … Ihr Anblick erregte ihn noch immer so sehr, dass
es fast körperlich schmerzte, und es war ihm noch immer unmöglich, den Blick von ihr loszureißen. Und
doch hatte das, was Elena gerade gesagt hatte, alles geändert. Es hatte seine Skrupel besänftigen sollen,
ihm den willkommenen Anlass liefern, alle Hemmungen abzustreifen und das zu tun, was sie wollte und er
noch so viel mehr. Und dennoch hatten ihre Worte das genaue Gegenteil bewirkt. Die bloße Vorstellung,
dass Laurus wusste, oder zumindest ahnte, dass er Elena nicht nur begleitet

Weitere Kostenlose Bücher