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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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angedeuteten Stich in die Knie ging und mit nicht nur
gespieltem Schmerz die Hände gegen den Leib schlug. »Wenn du die Rolle der Helden nicht dauernd neu
besetzen willst, dann solltest du deinen Schauspielern raten, nicht ganz so hart zuzuschlagen. Abu Dun ist
vielleicht der erste richtige Sarazene, den ihr seht, aber glaub’ mir, er ist auch der jähzornigste Araber, den
du jemals treffen wirst.«
Für einen Moment blickte Bason stirnrunzelnd zum Podest, auf dem Abu Dun mittlerweile zu Boden
gefallen war. Einer der beiden Sinti stand über ihm und hatte anscheinend Gefallen an der Idee gefunden,
dem Schwarzen die stumpfe Spitze seines Holzschwertes an die Kehle zu setzen, ohne zu ahnen, wie nahe
er daran war, die gleiche Erfahrung mit einem echten Säbel zu machen. »Ja«, sagte Bason zögernd und mit
einem schiefen Lächeln. »Ich … werde es ihnen sagen. Künstlerschicksal«, seufzte er. Andrej erwiderte
sein Lächeln nicht, sondern sah wieder fassungslos zu Abu Dun, sich fragend, warum der Nubier dieses
Possenspiel mitmachte. Er hoffte zwar inständig, daß die gestrige hässliche Szene zwischen ihnen die
letzte ihrer Art gewesen war, war aber zugleich auch Realist genug, um zu wissen, dass diese Hoffnung
kaum mehr als ein frommer Wunsch sein konnte. Er kannte Abu Dun nun wahrlich lange genug, um sagen
zu können, dass der Nubier im Grunde seines Herzens ein sehr vernünftiger und kluger Mann war,
zugleich aber auch so störrisch und uneinsichtig sein konnte wie ein Kind. Selbst wenn er wusste, dass er
im Unrecht war, hieß das noch lange nicht, dass er das zugeben würde.
»Du siehst nicht begeistert aus«, bemerkte Bason. »Gefällt dir das Stück wirklich nicht?«
»Willst du die Wahrheit hören?«, fragte Andrej.
Basons Grinsen wurde noch eine Spur breiter. »Untersteh’ dich!«
»Es ist entwürdigend«, sagte Andrej. »Und es ist nicht besonders gut.«
Bason blinzelte. Für einen Moment wirkte er ehrlich verletzt, dann drehte er sich um und sah wieder zur
Bühne hoch, wo das Stück offensichtlich seinem Höhepunkt entgegenstrebte:
Irgendwie war Abu Dun wieder auf die Beine gekommen, wich aber nun vor den ungeschickten Hieben
der Holzschwerter in gespielter Panik zurück, wobei er sich größte Mühe gab, ebenso tölpelhaft zu wirken
wie seine Gegner.
Bason seufzte. »Der Künstler in mir hätte vielleicht eine etwas weniger drastische Ausdrucksweise
bevorzugt«, gestand er.
»Möglicherweise hast du Recht.« Er schwieg einen Moment, in dem er Andrej auf eine nachdenkliche
Weise ansah, die diesem gar nicht gefiel, dann fragte er mit veränderter, hoffnungsvoller Stimme:
»Vielleicht sollte ich dir auch eine Rolle in das Stück schreiben?«
»Mir?« Andrejs Stimme klang eindeutig entsetzt.
Bason nickte heftig. »Dein Freund hat mir von euren Abenteuern und Heldentaten erzählt«, sagte er.
»Selbst, wenn nur ein Teil davon wahr ist und der Rest hoffnungslos übertrieben, sehe ich doch, wie
vorzüglich der Mohr mit dem Schwert umzugehen versteht. Und ich nehme an, du bist genau so gut?«
»Wir haben es nie ausprobiert«, antwortete Andrej - was in gewisser Weise sogar der Wahrheit entsprach.
Sie hatten sich in einem Kampf auf Leben und Tod kennen gelernt, aber der war ohne Waffen
ausgefochten worden; und auch, wenn sie seither zahllose Male mit dem Schwert gegeneinander
gefochten hatten, so doch nur zu Übungszwecken oder um ihre Kräfte zu messen. Sie hatten nie
herauszufinden beabsichtigt, wer der bessere Schwertkämpfer war, und Andrej wollte es auch gar nicht.
Es wäre kein fairer Kampf gewesen. »Worauf willst du hinaus?«, fragte er.
»Die Leute kommen hierher, um sich zu amüsieren«, antwortete Bason und deutete Richtung Bühne.
Andrej widerstand dem Impuls, der Geste mit Blicken zu folgen. Er hatte genug gesehen.
»Ein echter Schwertkampf«, fuhr der Junge fort, »würde sie zweifellos begeistern - und vielleicht ein
wenig mehr Geld in unsere Kassen bringen.«
»Denk nicht mal daran.«
»Warum?«. wollte Bason wissen. »Ich bin sicher, ihr würdet die Zuschauer von den Plätzen reißen.«
»Nein«, sagte Andrej bestimmt. »Ich kämpfe nicht für Geld oder zum Vergnügen anderer. Eine Waffe ist
kein Spielzeug, Bason.«
Der junge Sinti wirkte enttäuscht, versuchte aber nicht, Andrej umzustimmen. Der wiederum drehte sich
fast brüsk ein Stück zur Seite, um Basons Blick auszuweichen, und sah nachdenklich in die Runde. Für
einen Moment gelang es ihm sogar, sich selbst einzureden, dass er nicht

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