Der Untergang
er
in Gedanken hinzu.
»Was soll mir schon passieren?«, fragte Elena. »Mit einem Beschützer wie dir an meiner Seite?«
»Wie meinst du das?«, fragte Andrej. Seine Worte klangen schärfer als beabsichtigt, und Elena fuhr leicht
zusammen. Dann lachte sie.
»Deshalb bist du doch mitgekommen, oder nicht? Um auf mich aufzupassen.« Sie machte eine
Handbewegung, um jeden Widerspruch schon im Ansatz beiseite zu fegen. »Jetzt hab dich doch nicht so
und komm ins Wasser. Es ist herrlich.«
Sie schnüffelte hörbar und verzog ein wenig das Gesicht.
»Nebenbei bemerkt, würdest du nicht nur dir mit einem Bad einen Gefallen damit tun.« Andrej blieb
Ernst. »Das mag sein«, sagte er wieder. »Aber es ist trotzdem leichtsinnig. Außerdem wird dein Mann
nicht begeistert sein, wenn er davon erfährt.«
»Ich werde es ihm nicht erzählen«, antwortete Elena leichthin. »Und wenn du es nicht tust, wird er es nie
erfahren. Also - was ist jetzt? Sei kein Frosch!«
Andrej schüttelte den Kopf. Dabei hatte Elena durchaus Recht.
Die Hitze der zurückliegenden Tage war auch an ihm nicht spurlos vorüber gegangen. Er stank nach
Schweiß und Kleidern, in denen er zu oft geschlafen hatte, und er wusste schon gar nicht mehr, wie es
war, sich nicht schmutzig und klebrig zu fühlen. Trotzdem sträubten sich ihm allein bei der Vorstellung, an
diesem unheimlichen Ort ins Wasser zu steigen, die Nackenhaare.
Etwas an dieser Lichtung stimmte nicht. Elena hatte ihn fast dazu gebracht, die Schatten und das
unheimliche huschen und sich regen in der Dunkelheit zu vergessen, doch plötzlich war die Erinnerung
wieder da, und er hatte mehr denn je das Gefühl, angestarrt und belauert zu werden. Erneut lauschte er
mit seinen Vampyrsinnen hinaus in die Dunkelheit, und erneut fühlte er nichts, aber dieser Umstand
beruhigte ihn keineswegs. Tatsache war, irgend etwas war hier nicht so, wie es schien. Entschieden
schüttelte er den Kopf. »Nein.«
»Ganz, wie du willst.« Elena machte ein enttäuschtes Gesicht.
Dennoch sah es so aus, als wollte sie sich nun auch noch ihr Unterkleid über den Kopf zu streifen, um es
vermutlich ebenfalls achtlos ans Ufer zu werfen. Hastig drehte sich Andrej um. »Was tust du da?«, fragte
Elena.
Obwohl er genau wusste, dass sie ihn mit diesen Worten nur reizen wollte, antwortete Andrej: »Verzeih.
Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich warte, bis du im Wasser bist.«
»Und wie willst du auf mich aufpassen, wenn du nicht einmal in meine Richtung siehst?«, fragte Elena
spöttisch.
»Das werde ich tun, sobald du im Wasser bist«, sagte Andrej knapp. Er musste sich beherrschen, um nicht
unhöflich zu werden. Elena wollte ihn provozieren, das war klar, aber er wusste weder genau warum,
noch, wie weit sie gehen würde.
Hinter ihm erscholl wieder dieses leise, spöttische Lachen, das es ihm immer schwerer machte, seine Wut
im Zaum zu halten. Dann konnte er hören, wie sie tiefer in den Tümpel hinein ging, und nach einigen
Augenblicken rief sie: »Also gut. Ich bin im Wasser.«
Andrej war nicht einmal überrascht, als er sich umdrehte und feststellte, dass sie zwar bis zur Mitte des
kleinen Sees gewatet war, ihr das Wasser aber trotzdem nur bis zu den Oberschenkeln reichte. Und sie
hatte sich nicht etwa herum gedreht oder ins Wasser gesetzt, sondern stand ihm zugewandt da und legte
gerade den Kopf in den Nacken, um das Haar nach hinten zu schütteln.
Andrej atmete hörbar ein. Dass nichts von dem, was Elena tat, Zufall oder unbeabsichtigt war, änderte
nichts daran, dass es seine Wirkung nicht verfehlte. Er war ein Mann, und er war weder aus Holz, noch
dem eigenen Geschlecht zugetan, und es war lange her, dass er eine so schöne Frau wie die Zigeunerin
gesehen hatte. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Er ballte die Hände zu Fäusten, damit Elena nicht
sah, dass sie leicht zu zittern begonnen hatten, und er spürte, dass auch sein Körper auf den Anblick
reagierte, was ihm unendlich peinlich war - obwohl Elena zweifellos genau diese Reaktion hatte
hervorrufen wollen. Und doch war es war ihm nicht möglich, seinen Blick von ihr abzuwenden. Nackt,
wie Gott sie schuf, blieb Elena einige Momente länger als nötig reglos stehen, dann öffnete sie die Augen
und sah ihn mit dem strahlendsten Lächeln an, das er sich nur vorstellen konnte und einem Blick, der
nicht mehr den geringsten Zweifel zuließ. »Nun?«, fragte sie.
»Willst du es dir nicht doch noch einmal überlegen? Du weißt ja nicht, was dir entgeht.«
Er
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