Der Untergang
zu wecken.«
»Warum hast du’s nicht getan?«, fragte Andrej. Er sah wieder zur Bühne hoch. Der stampfende Takt der
Musik war schneller geworden, und auch der alberne Schaukampf hatte an Tempo gewonnen. Die beiden
vermeintlichen Angreifer starben gerade zum ungefähr fünfundvierzigsten Mal unter Abu Duns
kraftvollen Hieben, was sie aber nicht daran hinderte, sich sogleich wieder zu erheben und nun sogar die
Taktik zu ändern: Während der eine der beiden wie wild mit seinem Schwert auf ihn eindrosch, um ihn zu
beschäftigen, versuchte der andere, hinter Abu Dun zu gelangen. Natürlich blieb es bei dem Versuch. Der
Nubier wartete, bis der Junge fast an ihm vorbei war, dann fegte er ihm mit einem blitzschnellen Tritt die
Füße unter dem Körper weg und stieß seinen Krummsäbel so kraftvoll neben den Hals des Angreifers in
den Bretterboden, dass die Klinge zitternd stecken blieb. Die Zuschauer honorierten diese Aktion mit
tosendem Beifall, und auch Bason nickte anerkennend. »Dein Freund kann gut mit dem Schwert
umgehen«, bemerkte er. »Ich bin froh, dass er nicht unser Feind ist.«
»Wenn Abu Dun euer Feind wäre«, antwortete Andrej ernst, »dann wären die beiden Possenreißer da
oben längst tot.«
Für einen Moment sah Bason ihn mit einem Ausdruck an, der Andrej einen kalten Schauer über den
Rücken jagte.
Dann aber lächelte er wieder so strahlend und ehrlich, wie er es von ihm gewohnt war. »Gottlob seid ihr ja
nicht unsere Feinde.«
Andrej erwiderte sein Lächeln, aber er spürte auch, dass es kühler ausfiel als beabsichtigt. »Was soll
dieser Mumpitz?«, fragte er und nickte Richtung Bühne.
»Gefällt’s dir nicht?«, fragte Bason mit gespielter Enttäuschung. »Du willst keine ehrliche Antwort, oder?«
»Welcher Künstler will schon eine ehrliche Antwort auf die Frage, ob sein Stück gefällt?«
»Dein Stück?«
Bason machte ein verlegenes Gesicht. »Ich gestehe, ich habe es geschrieben. Das war auch der Grund,
warum ich deinen Freund gebeten habe, eine Rolle darin zu übernehmen.«
Andrej blickte kopfschüttelnd zu Abu Dun hinauf. Der Nubier war mittlerweile in die Defensive gegangen
und tat so, als koste es ihn immer größere Mühe, die Angriffe der beiden Jungen abzuwehren - Andrej
mutmaßte allerdings, dass es ihn immer größere Mühe kostete, sie aus Versehen nicht doch noch zu
verletzen. Theaterwaffen hin oder her, er hatte selten jemanden gesehen, der sich im Kampf so
ungeschickt bewegte wie die beiden “Angreifer”.
»Welche Rolle spielt er?«, fragte er. »Die des Hofnarren?«
»Er stellt das türkische Heer dar«, antwortete Bason ernst. »Bei der Schlacht um Prag.«
»Die muss ich wohl verpasst haben«, erwiderte Andrej.
Die gespielte Enttäuschung auf Basons Gesicht nahm noch zu.
»Es hat nie eine Schlacht um Prag gegeben?« Er zuckte mit den Schultern. »Macht nichts, klingt auf jeden
Fall gut. Die Türken verwüsten das Land, töten die Männer, plündern die Städte, und reiben das
christliche Herr auf, bis sich die tapferen Bauern und Handwerker zusammentun und selbst eine Armee
aufstellen.«
»Und das türkische Heer natürlich in die Flucht schlagen?«, vermutete Andrej.
»Nach einem langen und harten Kampf, ja«, bestätigte Bason.
Und wie aufs Stichwort brachte in diesem Moment einer der beiden Burschen seinen ersten Treffer mit
dem Spielzeugschwert an. Andrej zuckte leicht zusammen, als er das dumpfe Geräusch hörte, mit dem die
hölzerne Klinge gegen Abu Duns Arm prallte, und auch der Nubier stieß einen grunzenden
Schmerzenslaut aus.
Für den Bruchteil einer Sekunde war Andrej alarmiert, als er sah, wie sich Abu Duns Gesicht vor Wut
verzerrte - aber der junge Dummkopf dort oben hatte Glück. Der Nubier fasste sich, ehe sein Jähzorn die
Oberhand gewinnen konnte, und der Kopf des Narren blieb auf seinen Schultern.
»Ich weiß, das ist keine besonders originelle Handlung«, gestand Bason, der Andrejs Schweigen
vermutlich falsch gedeutet hatte. »Aber die Leute mögen so etwas. Und sie werden deinen Freund dort
oben lieben. Bisher haben wir uns selbst als Türken verkleidet, aber mit einem echten Sarazenen-Krieger
gewinnt das Stück doch sehr an Glaubhaftigkeit.«
»Willst du einen Rat von mir?«, fragte Andrej.
Bason nickte heftig. »Ich hätte dich sowieso gefragt. Dein Freund hat erzählt, dass ihr gegen die Türken
gekämpft habt?«
Andrej ignorierte die Bemerkung und machte eine Kopfbewegung Richtung Bühne, auf der Abu Dun
gerade unter einem heftiger als notwendig
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