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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte, um sie zu beschützen,
machte es ihm vollkommen unmöglich, seinem Verlangen nachzugeben. »Nimm dein Bad«, sagte er.
Etwas in Elenas Blick erlosch. Aus der verlockenden Aufforderung in ihren Augen wurde Überraschung,
dann Zorn und schließlich Verachtung. Ihr Lächeln gefror. »Ganz, wie du willst, Andreas«, sagte sie. Dann
drehte sie sich mit einem Ruck herum, ließ sich wieder auf die Knie sinken und überkreuzte zugleich die
Arme vor der Brust, als wäre es ihr plötzlich peinlich, von ihm angestarrt zu werden. »Dann tu das,
weshalb du mitgekommen bist, und gib Acht, dass mir kein Leid geschieht.«
Ihre Worte brachen den Bann endgültig. Von einem Moment zum anderen sah Andrej sie wieder so, wie
sie war: Eine Frau, die deutlich älter war als er selbst, immer noch eine Schönheit, der die Jahre kaum
etwas hatten anhaben können, aber dennoch eine ganz normale Frau und nicht mehr die Gestalt
gewordene Weiblichkeit, deren Verlockung kein Mann widerstehen konnte.
Er betrachtete sie noch eine Weile schweigend, dann drehte er sich herum und tat so, als suche er den
Waldrand ab.
Und für einen Moment glaubte er tatsächlich, etwas zu hören.
Waren da nicht Schritte? Schnelle, hastige, kleine und leichte Schritte, die sich schnell entfernten und im
nächsten Augenblick verschwunden waren …

FÜNFTES KAPITEL
    Er erwachte am nächsten Morgen ungewöhnlich spät, geweckt von misstönender, lauter Musik,
hämmernden Kopfschmerzen und dem Gefühl, nicht richtig atmen zu können.
Im ersten Moment war er einfach nur verwirrt. Statt auf Schlag zu erwachen und sich und seiner
Umgebung völlig bewusst zu sein, wie er es gewohnt war, erinnerte er sich nur an ein Gemisch aus wirren
Albträumen und zusammenhanglosen, düsteren Bildern, von denen er lediglich wusste, dass sie allesamt
unangenehm gewesen waren.
Es war warm, fast schon heiß, und das Licht, das durch seine noch geschlossenen Lider drang, hatte eine
unangenehme, bräunliche Färbung, die irgend etwas mit den Träumen zu tun zu haben schien, die er eben
noch durchlitten hatte. Außerdem hatte er entsetzlichen Durst. Schließlich öffnete er die Augen, blinzelte
verschlafen umher und stellte fest, dass das Lager aus Decken und einem als Kopfkissen dienenden
Strohsack neben ihm, auf dem Abu Dun schlief, verlassen war. Das unangenehme rot-braune Licht, das
ihn einhüllte, war das der Sonne, das mit erbarmungsloser Kraft durch den dicken Stoff der Zeltplane
drang. Ihrem Stand nach zu schließen - er konnte die Sonne als verwaschenen, hellgelben Fleck durch die
Zeltplane hindurch erkennen -, mussten mindestens zwei Stunden vergangen sein, seit sie aufgegangen
war, und wenn es hier drinnen schon so warm war, dass er kaum atmen konnte, dann musste es draußen
schier unerträglich heiß sein.
Vor allem hatte er viel zu lange geschlafen, und das war etwas, was normalerweise nie vorkam.
Andrej setzte sich auf und fuhr mit dem Handrücken über das schweißnasse Gesicht. Er hatte nicht nur
Kopfschmerzen, ihm war auch leicht schwindelig, und er hatte einen widerwärtigen Geschmack im Mund.
Vergeblich versuchte er sich zu erinnern, wie er ins Zelt gekommen war, und ob und worüber er vor dem
Zubettgehen noch mit Abu Dun gesprochen hatte.
Elena und er hatten den Rückweg in grimmigem Schweigen zurückgelegt, und sie war auf der letzten
halben Meile vorausgeritten, ohne dass er versucht hätte, sie daran zu hindern.
Im Lager war es bereits dunkel gewesen, und er hatte weder sie noch ihre Brüder oder Laurus gesehen, so
dass er sofort in sein Zelt gegangen sein musste, um sich schlafen zu legen. Und dann …
Nein, er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Die Erkenntnis beunruhigte ihn. Er hatte das Gefühl, dass
noch irgend etwas passiert war, aber er konnte nicht sagen, was, und zusammen mit der Tatsache, dass er
offensichtlich bis weit in den Vormittag hinein geschlafen hatte, war das keine völlig neue, unangenehme
Erfahrung für ihn. Irgendetwas stimmt nicht mit mir, dachte er. Ist es möglich, dass ich krank bin?
Normalerweise hätte Andrej diesen Gedanken weit von sich geschoben. Krankheit war ihm genauso wenig
vergönnt wie der Tod, und er konnte nur mutmaßen, dass das, was er fühlte, wenn er sich nach einer
Verletzung wieder regenerierte, dem ähnelte, was Sterbliche durchmachten, wenn sie auf dem
Krankenbett danieder lagen. Aber wenn er nicht krank war, was war dann mit ihm los? Abermals betastete
er seine Stirn. Sie war heiß, was allerdings angesichts der

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