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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geredet hatten,
war die Schwellung deutlich größer geworden, und ihr äußerer Augenwinkel und das Lid begannen sich
bereits dunkel zu verfärben. Der Anblick weckte wieder den gleichen Zorn wie vorhin in Andrej, aber er
biss sich auf die Lippe und sagte nichts. Er war ganz und gar nicht Elenas Meinung, was das Schlagen von
Frauen anging, aber letzten Endes war sie Laurus’ Frau, nicht seine, und es war ihre Entscheidung, wie sie
leben wollte oder nicht. Auch, wenn Andrej Elena kaum kannte, so war er doch sicher, dass sie zumindest
über eine längere Zeit, nichts hinnehmen würde, was sie nicht wirklich wollte.
»Vielleicht solltest du in deinen Wagen zurückgehen«, sagte Elena nach einer Weile, leise, und ohne ihn
anzusehen. »Wenn Laurus zurückkommt und dich hier findet, dann wird das seine Laune nicht unbedingt
verbessern. Was tust du überhaupt hier?«
»Ich wollte nach Abu Dun sehen«, antwortete Andrej, was ihm im Moment die glaubhafteste Ausrede
erschien.
»Er schläft«, antwortete Elena. Sie drehte sich wieder zu ihm um und sah ihm ins Gesicht, und plötzlich,
von einem Lidschlag auf den nächsten, fiel es Andrej schwer, ihrem Blick stand zu halten. Wie schon
mehrmals, seit er Elena kennen gelernt hatte, schien eine sonderbare Veränderung mit ihr vonstatten zu
gehen.
Vielleicht lag es am Licht, an ihrer beider Erregung, oder an der außergewöhnlichen Situation, in der sie
zusammen waren, aber mit einem Male kam sie ihm vor wie eine ganz andere, äußerlich unverändert, und
doch so verschieden von der Elena, die gerade noch vor ihm gestanden hatte, wie es nur möglich war. Sein
Herz klopfte ein wenig schneller. »Ich kann es dir nicht verbieten, aber es wäre besser, wenn du nicht zu
ihm gehst. Ich möchte nicht -«
»- dass Laurus mich in deinem Wagen findet«, führte Andrej den Satz zu Ende.
Elena schwieg, aber sie tat es auf eine ganz besondere Art, die ihn begreifen ließ, wie nahe er mit dieser
Vermutung der Wahrheit gekommen war und wie unangenehm ihr dieses Wissen sein musste. Plötzlich
fehlten ihm die Worte, weiter zu sprechen.
»Geh jetzt zurück«, sagte Elena. »Ich werde nach Laurus sehen. Es hat keinen Sinn, ihn noch wütender zu
machen. Und mach’ dir keine Sorgen. Er ist manchmal etwas jähzornig, aber er beruhigt sich meistens
auch genauso schnell wieder. Morgen früh reden wir in Ruhe über alles.«
Sie wartete einen Moment lang vergeblich darauf, dass er ihrer Aufforderung nachkam und ging, dann hob
sie die Achseln, drehte sich rasch herum und stieg die dreistufige Treppe zum Wagen hinauf. Andrej blieb
weiter reglos stehen, wo er war, von der völlig unsinnigen Hoffnung erfüllt, dass sie sich doch noch einmal
herumdrehen oder wieder zu ihm herauskommen würde, und er ließ selbst dann noch etliche Sekunden
verstreichen, als sie die Tür schon längst hinter sich geschlossen hatte.
Was war nur mit ihm los? Nicht zum ersten Mal - aber zum ersten Mal ganz bewusst - fragte er sich, ob er
sich möglicherweise in diese verwirrende Frau verliebt hatte. Aber die Antwort war und blieb ein
eindeutiges Nein. Elena hatte zweifellos etwas, das jeden Mann um den Verstand bringen konnte, vor
allem in Momenten wie dem, den er gerade erlebt hatte, aber dieses Gefühl hatte nichts mit Liebe zu tun.
Er hatte viele Frauen getroffen, die ihn anzogen, etliche, die er gemocht und mit denen er eine Weile
zusammengeblieben war, und die eine oder andere, von der er sich hätte vorstellen können, auch den Rest
seines Lebens mit ihr zu teilen. Aber Liebe, wirkliche Liebe, hatte er nur ein einziges Mal in seinem Leben
gefunden, und die war ihm auf eine so grausame und endgültige Art genommen worden, dass er nicht
sicher war, ob er jemals wieder einen anderen Menschen wirklich lieben konnte. Er war nicht einmal
sicher, ob er es noch einmal wollte.
Vielleicht war er zu tief verletzt worden, als dass er sich der Gefahr noch einmal aussetzen konnte, diesen
grässlichen Schmerz erneut zu spüren.
Endlich drehte er sich herum und ging, aber er kehrte nicht zu seinem Wagen zurück, wie Elena ihm
geraten hatte, sondern ging noch einmal dorthin, wo er gerade hergekommen war. Diesmal machte er
einen noch größeren Umweg und bewegte sich noch vorsichtiger, und er ließ etliche Minuten verstreichen,
in denen er reglos im Schatten stand und Ankas Wagen beobachtete, bis er ganz sicher war, dass die
beiden Brüder nicht mehr hier waren und sich auch sonst niemand in seiner unmittelbaren Nähe aufhielt.
Der Lärm hinter

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