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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Semskow hob die Augenbrauen.
    »Doch wohl kaum so lange, Genosse Marschall. Ich habe zu meiner Verfügung …«
    »Sie haben zu Ihrer Verfügung nichts als Ihre eigenen Augen und Hände, Ihr eigenes Gehirn. Sie werden sich bei niemandem Rat holen, mit niemand anderem darüber Gespräche führen. Sie werden allein arbeiten, ohne Unterstützung. Es wird Monate in Anspruch nehmen, und am Ende nur ein einziges Exemplar geben.«
    »Verstehe, und dieses Land …?«
    Der Marschall tippte auf die Weltkarte. »Hier. Dieses Land muß uns eines Tages gehören.«
    Houston, die Kapitale der amerikanischen Ölindustrie – und, wie manche meinen, der Ölwirtschaft der Welt – ist insofern eine merkwürdige Stadt, als sie nicht ein, sondern zwei Zentren hat. Im Osten erhebt sich Downtown, das Handels-, Banken-, Konzern- und Industriezentrum, aus der Ferne betrachtet eine Ansammlung schimmernder Türme, die aus der konturlosen südwesttexanischen Ebene zu einem blaßblauen Himmel emporsteigen. Im Westen liegt Galleria, das Einkaufs-, Restaurant- und Freizeitzentrum, beherrscht von den Post-, Oak-, Westin- und Transco-Türmen. Dort findet man auch die Galleria selbst, das größte überdachte Einkaufszentrum der Welt.
    Diese beiden Herzen der Stadt starren einander über vier Meilen einstöckiger Wohnhäuser und Grünflächen wie Revolverhelden an, stets bereit, sich um die Vorherrschaft zu duellieren.
    Architektonisch wird Downtown von seinem höchsten Wolkenkratzer, dem der Texas Commerce, beherrscht, fünfundsiebzig Stockwerke aus grauen Marmorplatten und dunklem, grauem Glas, mit über dreihundertzehn Metern das höchste Bauwerk westlich des Mississippi. Das zweithöchste ist der Allied Bank Tower, ein mit fünfundsechzig Stockwerken spitz zulaufender Turm aus grünem Spiegelglas. Um sie herum stehen weitere Wolkenkratzer verschiedener Konstruktionen: neugotische Hochzeitstorten, spiegelverglaste Bleistifte und die schlicht ausgeflippten.
    Nur wenig niedriger als der Wolkenkratzer der Allied Bank ist das Gebäude der Pan Global, dessen zehn oberste Etagen die Erbauerin und Eigentümerin des Turms beherbergen, die Pan Global Oil Corporation, unter den Ölgesellschaften der USA an achtundzwanzigster Stelle und die achtgrößte in Houston. Mit einem Gesamtvermögen von 3,25   Milliarden Dollar wurde Pan Global nur von Shell, Tenneco, Conoco, Enron, Coastal Texas Eastern, Transco und Pennzoil übertroffen. Doch in einer Hinsicht unterschied sie sich von all den anderen Konzernen: Pan Global war noch immer im Besitz ihres betagten Gründers. Er hatte zwar Aktionäre und neben sich Mitglieder des Board, aber das Heft in der Hand behalten, und niemand konnte seiner Macht innerhalb seiner eigenen Gesellschaft Fesseln anlegen.
    Zwölf Stunden, nachdem Marschall Koslow seinen Planungsoffizier instruiert hatte, und acht Zeitzonen westlich von Moskau stand Cyrus V . Miller an dem von der Decke bis zum Boden reichenden Spiegelglasfenster seiner Penthouse-Suite auf seinem eigenen Wolkenkratzer und blickte nach Westen. Vier Meilen entfernt starrte durch den Dunst dieses Nachmittags spät im November der Transco Tower herüber. Cyrus V . Miller blieb noch eine Weile stehen, ging dann über den flauschigen Teppichboden zu seinem Schreibtisch zurück und vertiefte sich wieder in den Bericht, der darauf lag.
    Vierzig Jahre früher, als sein Erfolg begann, hatte Miller gelernt, daß Information Macht bedeutet. Zu wissen, was vor sich geht, und, wichtiger noch, zu wissen, was demnächst geschehen wird, verschafft einem mehr Macht als ein politisches Amt oder sogar Geld. Damals hatte er in seiner aufstrebenden Firma eine Forschungs- und Statistikabteilung eingerichtet und sie mit den aufgewecktesten und intelligentesten Analytikern besetzt, die aus den Universitäten seines Landes kamen. Als dann das Computer-Zeitalter anbrach, hatte er seine F -und- S -Abteilung mit den jeweils neuesten Datenbank-Modellen vollgestopft, in denen eine Unmenge Informationen über die Ölbranche und andere Industriezweige, die wirtschaftliche Leistung der USA , Markttrends, wissenschaftliche Neuentwicklungen und Menschen gespeichert waren – Hunderttausende von Leuten aus jedem Lebensbereich, die ihm eventuell eines Tages von Nutzen sein könnten.
    Der Bericht vor ihm stammte von Dixon, einem jungen Absolventen der Texas State University, einem Mann mit scharfem Verstand, den er zehn Jahre vorher angestellt und der sich zusammen mit dem Konzern weiter entwickelt

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