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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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er tot, und es kann ihm gleich sein, aber seinerzeit hat man doch viel geredet.« Jetzt sahen alle drei Kinder sie fordernd an. »Na ja«, erklärte sie schüchtern. »Das mit Frau Daimchen und dem Herrn Buck. Guste kam doch zu früh.«
    Nach diesem Ausspruch mußte Frau Heßling sich hinter den Ofenschirm zurückziehen, denn alle drei drangen gleichzeitig auf sie ein. »Das ist das Neueste!« riefen Emmi und Magda. »Also wie war die Geschichte!« Wogegen Diederich donnernd dem Weiberklatsch Einhalt gebot. »Wenn wir deinen Männerklatsch angehört haben!« riefen die Schwestern und suchten ihn fortzudrängen von dem Ofenschirm. Die Mutter sah händeringend in das Handgemenge. »Ich habe doch nichts gesagt, Kinder! Nur damals sagten es alle, und der Herr Buck hat der Frau Daimchen doch auch die Mitgift geschenkt.«
    »Also daher!« rief Magda. »So sehen in der Familie Daimchen die Erbonkel aus! Daher die goldenen Taschen!«
    Diederich verteidigte Gustes Erbschaft. »Sie kommt aus Magdeburg!«
    »Und der Bräutigam?« fragte Emmi. »Kommt der auch aus Magdeburg?«
    Plötzlich verstummten alle und sahen einander an, wie betäubt. Dann kehrte Emmi ganz still auf das Sofa zurück, sie nahm sogar das Buch wieder auf. Magda fing an, den Tisch abzuräumen. Auf den Ofenschirm, hinter dem Frau Heßling sich duckte, schritt Diederich zu. »Siehst du nun, Mutter, wohin es führt, wenn man seine Zunge nicht hütet? Du willst doch wohl nicht behaupten, daß Wolfgang Buck seine eigene Schwester heiratet.« Wimmernd kam es aus der Tiefe: »Ich kann doch nichts dafür, mein lieber Sohn. Ich dachte schon längst nicht mehr an die alte Geschichte, und es ist ja auch nicht sicher. Kein lebender Mensch weiß mehr etwas.« Aus ihrem Buch heraus warf Emmi dazwischen: »Der alte Herr Buck wird wohl wissen, wo er jetzt das Geld für seinen Sohn holt.« Und in das Tischtuch hinein, das sie faltete, sagte Magda: »Es soll manches vorkommen.« Da hob Diederich die Arme, als habe er die Absicht, den Himmel anzurufen. Rechtzeitig unterdrückte er aber das Entsetzen, das ihn übermannen wollte. »Bin ich denn hier unter Räuber und Mörder gefallen?« fragte er sachlich und ging in strammer Haltung zur Tür. Dort wandte er sich um. »Ich kann euch natürlich nicht hindern, eure feine Wissenschaft in die Stadt hinauszuposaunen. Was mich betrifft, ich werde erklären, daß ich mit euch nichts mehr zu tun habe. In die Zeitung werde ich es setzen!« Und er ging ab.
    Er vermied den Ratskeller und bedachte einsam bei Klappsch eine Welt, in der solche Greuel umgingen. Dagegen war mit kommentmäßigem Verhalten freilich nicht aufzukommen. Wer den Bucks ihren schändlichen Raub abjagen wollte, durfte auch vor starken Mitteln nicht zurückschrecken. »Mit gepanzerter Faust«, sagte er ernst in sein Bier hinein; und das Deckelklappen, womit er das vierte Glas herbeirief, klang wie Schwertgeklirr... Nach einer Weile verlor seine Haltung an Härte; Bedenken kamen. Sein Eingreifen würde immerhin bewirken, daß die ganze Stadt mit den Fingern auf Guste Daimchen zeigte. Kein Mann, der halbwegs Komment hatte, heiratete solch ein Mädchen noch. Diederichs eigenstes Empfinden sagte es ihm, seine eingewurzelte Erziehung zur Mannhaftigkeit und zum Idealismus. Schade! Schade um Gustes dreihundertfünfzigtausend Mark, die nun herrenlos und ohne Bestimmung waren. Die Gelegenheit wäre günstig gewesen, ihnen eine zu geben... Diederich schüttelte den Gedanken mit Entrüstung ab. Er erfüllte nur seine Pflicht!
    Ein Verbrechen galt es zu verhindern. Das Weib mochte dann sehen, wo es blieb im Kampf der Männer. Was lag an einem dieser Geschöpfe, die ihrerseits, Diederich hatte es erfahren, jedes Verrates fähig waren. Nur noch des fünften Glases bedurfte es, und ein Entschluß stand fest.
    Beim Morgenkaffee bekundete er ein großes Interesse für die Toiletten der Schwestern zum Harmonieball. Zwei Tage nur mehr, und noch nichts fertig! Die Hausschneiderin war so selten zu haben gewesen, sie nähte jetzt bei Bucks, Tietz', Harnischs und überall. Die große Inanspruchnahme dieses Mädchens schien Diederich geradezu mit Bewunderung zu erfüllen. Er erbot sich, selbst hinzugehen und sie, koste es, was es wolle, zur Stelle zu schaffen. Nicht ohne Mühe gelang es ihm. Zum zweiten Frühstück begab er sich alsdann so geräuschlos, daß nebenan im Wohnzimmer das Gespräch nicht gestört ward. Gerade erging sich die Hausschneiderin in Anspielungen auf einen Skandal, der

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