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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Stadtverordnetenwahlen: da kommt es nun ganz auf Sie an«, äußerte er gnädig und knapp. »Der Prozeß Lauer hat einen Umschwung der öffentlichen Meinung bewirkt. Die Leute haben Angst vor mir. Wer mir behilflich sein will, ist mir willkommen; wer sich mir entgegenstellt —«
    Den Nachsatz wartete Doktor Scheffelweis nicht ab. »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, flüsterte er beflissen, »Freunde des Herrn Buck dürfen nicht mehr gewählt werden.«
    »Das liegt in Ihrem eigensten Interesse. Bei den Schlechtgesinnten untergräbt man Ihren guten Ruf, Herr Bürgermeister! Könnten Sie es heute überleben, daß die Gutgesinnten den abscheulichen Verleumdungen nicht mehr widersprechen?« Eine Pause, in der Doktor Scheffelweis zitterte; dann wiederholte Diederich, ermutigend: »Es kommt nur auf Sie an.« — Der Bürgermeister murmelte: »Ihre Energie und anständige Gesinnung in Ehren —«
    »Meine hochanständige Gesinnung!«
    »Freilich... Aber Sie sind ein politischer Heißsporn, mein junger Freund. Die Stadt ist noch nicht reif für Sie. Wie wollen Sie mit ihr fertig werden?«
    Statt einer Antwort trat Diederich plötzlich zurück und machte einen Kratzfuß. Im Eingang stand Wulckow.
    Er kam herbei unter elastischem Schwenken des Bauches, legte seine schwarze Tatze dem Doktor Scheffelweis auf die Schulter und sagte dröhnend: »Na, Bürgermeisterchen, so solo hier? Ihre Stadtverordneten haben Sie wohl hinausgeworfen?« — worauf Doktor Scheffelweis bleich mitlachte. Aber Diederich sah sich heftig besorgt nach der Saaltür um, die noch offenstand. Er trat vor Wulckow hin, so daß der Präsident von drinnen nicht zu sehen war, und flüsterte ihm einige Worte zu, infolge deren der Präsident sich abwandte und seine Kleider ordnete. Dann sagte er zu Diederich: »Sie sind wirklich sehr brauchbar, Doktorchen.«
    Diederich lächelte geschmeichelt. »Ihre Anerkennung, Herr Präsident, macht mich glücklich.«
    Wulckow äußerte gnädig: »Sie können gewiß auch sonst noch allerlei. Wir müssen mal drüber reden.« Er streckte den Kopf vor, braunfleckig, mit slawischen Backenknochen, und glotzte Diederich an, aus den Mongolenfalten seiner Augen, die voll einer warmblütigen, schalkhaften Gewaltsamkeit waren: — glotzte, bis Diederich schnaufte. Dieser Erfolg schien Wulckow zu befriedigen. Er bürstete vor dem Spiegel seinen Bart, zerdrückte ihn aber sogleich wieder auf dem Frackhemd, weil er den Kopf wie ein Stier trug, und sagte: »Nu los! Der Klimbim ist wohl schon im Gange?« Und in der Mitte zwischen Diederich und dem Bürgermeister schickte er sich an, mit Wucht die Vorstellung zu stören: da kam vom Büffet her eine dünne Stimme: »Ach Gott, Ottochen!«
    »Na, da ist sie«, brummte Wulckow, und er ging seiner Frau entgegen. »Dachte mir schon, wenn es zum Klappen kommt, scheut sie. Mehr Reitergeist, meine beste Frieda!«
    »Ach Gott, Ottochen, ich habe nun mal solche grauenhafte Angst!« Zu den beiden anderen Herren gewandt, plauderte sie geläufig, wenn auch bebend: »Ich weiß wohl, man sollte freudigeren Herzens in die Schlacht gehen.«
    »Besonders«, sagte Diederich schlagfertig, »wenn sie im voraus gewonnen ist.« Und er verneigte sich ritterlich. Frau von Wulckow berührte ihn mit dem Fächer.
    »Herr Doktor Heßling hat mir nämlich schon während des ersten Aktes hier draußen Gesellschaft geleistet. Er hat Sinn für das Schöne, er gibt einem sogar nützliche Winke.«
    »Hab ich gemerkt«, sagte Wulckow; und indes Diederich abwechselnd ihm und seiner Frau dankerfüllte Kratzfüße machte, setzte der Präsident hinzu: »Bleiben wir lieber gleich beim Büffet.«
    »Das war auch mein Schlachtplan«, plauderte Frau von Wulckow. »Um so mehr, als ich jetzt festgestellt habe, daß man hier eine kleine Tür nach dem Saal öffnen kann. So erfreut man sich der von den Ereignissen unberührten Isoliertheit, die ich nun einmal brauche, und bleibt dennoch au fait.«
    »Bürgermeisterchen«, sagte Wulckow und schnalzte, »den Hummersalat sollten Sie sich auch kaufen.« Er zog Doktor Scheffelweis am Ohr und setzte hinzu: »In der Sache mit dem städtischen Arbeitsnachweis hat der Magistrat mal wieder eine jammervolle Rolle gespielt.«
    Der Bürgermeister aß gehorsam und hörte gehorsam zu — indes Diederich neben Frau von Wulckow nach der Bühne ausspähte. Dort hatte Magda Heßling Klavierstunde, und der Lehrer, ein dunkellockiger Virtuose, küßte sie feurig, was sie nicht übel zu vermerken schien. ›Kienast

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