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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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ausgaben. Am bestimmtesten tat dies Diederich, der für seinen unglücklichen Jugendfreund in jeder Weise eintrat. Hornung kam mit einem Aufenthalt im Sanatorium davon, und als er herausdurfte, versah Diederich ihn, wenn er nur Netzig verließ, mit Mitteln, die ihn gegen die Schwämme und Zahnbürsten für einige Zeit wappneten. Auf die Dauer freilich waren sie wohl die Stärkeren, und ein gutes Ende ließ sich kaum vorhersagen für Gottlieb Hornung... Natürlich hörten, sobald er wohlverwahrt in der Anstalt saß, die Briefe auf. Oder wenigstens ließ man sich, wenn noch einer kam, nichts mehr merken, die Affäre war abgetan.
    Diederich durfte wieder sagen: »Mein Haus ist meine Burg.« Die Familie, nicht länger schmutzigen Eingriffen ausgesetzt, blühte auf das reinste empor. Nach Gretchen, die 1894 geboren ward, und Horst, von 1895, folgte 1896 Kraft. Diederich, ein gerechter Vater, legte jedem der Kinder, noch bevor es da war, ein Konto an und trug vorerst die Kosten der Ausstattung und der Hebamme ein. Seine Auffassung vom Eheleben war die strengste. Horst kam nicht ohne Mühe zur Welt. Als es vorüber war, erklärte Diederich seiner Gattin, daß er, vor die Wahl gestellt, sie glatt hätte sterben lassen. »So peinlich es mir gewesen wäre«, setzte er hinzu. »Aber die Rasse ist wichtiger, und für meine Söhne bin ich dem Kaiser verantwortlich.« Die Frauen waren der Kinder wegen da, Frivolitäten und Ungehörigkeiten versagte Diederich ihnen, war aber nicht abgeneigt, ihnen Erhebung und Erholung zu gönnen. »Halte dich an die drei großen G«, bedeutete er Guste. »Gott, Gafee und Gören.« Auf dem rotgewürfelten Tischtuch, mit Reichsadler und Kaiserkrone in den Würfeln, lag neben der Kaffeekanne immer die Bibel, und Guste war gehalten, jeden Morgen daraus vorzulesen. Am Sonntag ging man zur Kirche. »Es ist oben erwünscht«, sagte Diederich ernst, wenn Guste sich sträubte. Wie Diederich in der Furcht seines Herrn, hatte Guste in der Furcht des ihren zu leben. Beim Eintritt ins Zimmer war es ihr bewußt, daß dem Gatten der Vortritt gebühre. Die Kinder wieder mußten ihr selbst die Ehre erweisen, und der Teckel Manne hatte alle zu Vorgesetzten. Beim Essen dann oblag es Hund und Kindern, sich schweigend zu verhalten; Gustes Sache war es, aus den Stirnfalten des Gatten zu ersehen, ob es geboten sei, daß man ihn ungestört lasse oder aber ihm durch Geplauder die Sorgen verscheuche. Gewisse Gerichte wurden nur für den Hausherrn aufgetragen, und Diederich warf an guten Tagen ein Stück davon über den Tisch, um herzlich lachend zuzusehn, wer es erwischte, Gretchen, Guste oder Manne. Sein Nachmittagsschlaf war öfters durch eine Verdauungsstörung beschwert; Gustes Pflicht erheischte dann, ihm warme Bauchbinden anzulegen. Diederich verhieß ihr, ächzend und schwer beängstet, daß er sein Testament machen und einen Vormund einsetzen werde. Guste werde kein Geld in die Hand bekommen. »Ich hab für meine Söhne gearbeitet, aber nicht, damit du dich nachher amüsierst!« Guste machte geltend, ihr eigenes Vermögen sei die Grundlage von allem, aber sie kam schön an... Freilich, wenn Guste den Schnupfen hatte, durfte sie nicht erwarten, daß Diederich nun seinerseits ihre Pflege übernahm. Sie hatte sich dann nach Möglichkeit von ihm fernzuhalten, denn Diederich war entschlossen, keine Bazillen zu dulden. Die Fabrik betrat er nur mit desinfizierenden Tabletten im Munde; und eines Nachts entstand großer Lärm, weil die Köchin an Influenza erkrankt war und vierzig Grad Fieber hatte. »Sofort aus dem Hause mit der Schweinerei!« befahl Diederich; und als sie fort war, irrte er noch lange, keimtötende Flüssigkeiten verspritzend, durch die Wohnung.
    Am Abend bei der Lektüre des »Lokal-Anzeigers« erklärte er seiner Gattin immer wieder, daß leben nicht notwendig sei, wohl aber schiffahren — was Guste schon darum einsah, weil auch sie die Kaiserin Friedrich nicht mochte, die uns bekanntlich an England verriet, ganz abgesehen von gewissen häuslichen Zuständen in Schloß Friedrichskron, die Guste lebhaft mißbilligte. Gegen England brauchten wir eine starke Flotte; es mußte unbedingt zerschmettert werden, es war der ärgste Feind des Kaisers. Und warum? Man wußte es in Netzig ganz genau: nur weil Seine Majestät einst in angeregter Laune dem Prinzen von Wales dort, wo es am verlockendsten erschien, einen freundschaftlichen Schlag versetzt hatten. Außerdem kamen aus England gewisse feine Papiersorten,

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