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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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blitzte, und er nickte schwerwiegend, als wüßte er manches. Im selben Augenblick kam ihm wirklich ein Einfall. »Neulich auf dem Brandenburgischen Provinziallandtag hat der Kaiser dem Reichstag den Standpunkt klargemacht. Er hat gesagt: Wenn die Kerls mir meine Soldaten nicht bewilligen, räum ich die ganze Bude aus!« — Das Wort erregte Begeisterung; und als Diederich allen, die ihm zutranken, nachgekommen war, hätte er nicht mehr sagen können, ob es von ihm selbst war oder nicht doch vom Kaiser. Schauer der Macht strömten aus dem Wort auf ihn ein, als wäre es echt gewesen... Tags darauf stand es in der »Netziger Zeitung« und schon am Abend im »Lokal-Anzeiger«. Schlechtgesinnte Blätter verlangten ein Dementi, aber es blieb aus.

V

    Noch schwellten solche Hochgefühle Diederichs Brust, da bekamen Emmi und Magda eine Einladung von Frau von Wulckow, nachmittags zum Tee. Es konnte nur wegen des Stückes sein, das die Regierungspräsidentin beim nächsten Fest der »Harmonie« aufführen ließ, Emmi und Magda sollten Rollen bekommen. Freudegerötet kehrten sie heim: Frau von Wulckow war überaus gnädig gewesen ; eigenhändig hatte sie ihnen immer wieder Kuchen auf den Teller gelegt. Inge Tietz mochte platzen. Offiziere spielten mit! Man brauchte besondere Toiletten; wenn Diederich vielleicht glaubte, daß sie mit ihren fünfzig Mark — Aber Diederich eröffnete ihnen einen unbegrenzten Kredit. Nichts von dem, was sie kauften, fand er schön genug. Das Wohnzimmer lag voll von Bändern und künstlichen Blumen, die Mädchen verloren den Kopf, weil Diederich ihnen dreinredete; da kam Besuch, Guste Daimchen.
    »Ich habe doch der glücklichen Braut noch gar nicht richtig gratuliert«, sagte sie und versuchte gönnerhaft zu lächeln; aber ihre Augen gingen besorgt über die Bänder und Blumen. »Das ist wohl auch für das dumme Stück?« fragte sie. »Wolfgang hat davon gehört, er sagt, es ist unerhört dumm.« Magda erwiderte: »Dir muß er es doch sagen, weil du nicht mitspielst.« Und Diederich erklärte: »Damit entschuldigt er sich dafür, daß Sie seinetwegen bei Wulckows nicht eingeladen werden.« Guste lachte geringschätzig. »Auf Wulckows verzichten wir, aber zum Harmonieball gehen wir gerade.« Diederich fragte: »Wollen Sie den ersten Eindruck des Prozesses nicht lieber vorübergehen lassen?« Er sah sie teilnehmend an. »Liebes Fräulein Guste, wir sind so alte Bekannte, ich darf Sie wohl darauf hinweisen, daß Ihre Verbindung mit den Bucks Ihnen jetzt in der Gesellschaft nicht gerade nützt.« — Guste zuckte mit den Augen, man sah, sie hatte sich das schon selbst gedacht. Magda bemerkte: »Gott sei Dank, mit meinem Kienast ist es nicht so.« Worauf Emmi: »Aber Herr Buck ist interessanter. Neulich bei seiner Rede hab ich geweint, wie im Theater.« — »Und überhaupt!« rief Guste, ermutigt. »Erst gestern hat er mir diese Tasche geschenkt.« Sie hielt den vergoldeten Sack empor, nach dem Emmi und Magda schon lange schielten. Magda sagte spitz: »Er hat wohl viel verdient mit der Verteidigung. Kienast und ich, wir sind für Sparsamkeit.« Aber Guste hatte ihre Genugtuung gehabt. »Dann will ich euch nicht länger stören«, sagte sie.
    Diederich begleitete sie hinunter. »Ich bringe Sie nach Haus, wenn Sie artig sind«, sagte er, »aber vorher muß ich noch einen Blick in die Fabrik tun. Gleich wird Schicht gemacht.« — »Ich kann ja mitgehen«, meinte Guste. Um ihr zu imponieren, führte er sie geradeswegs zu der großen Papiermaschine. »So was haben Sie wohl noch nicht gesehen?« Und mit Wichtigkeit erläuterte er ihr das System von Bassins, Walzen und Zylindern, worüber hin, durch die ganze Länge des Saales, die Masse floß: zuerst wässerig, dann immer trockener — und am Ende der Maschine lief auf großen Rollen das fertige Papier. Guste schüttelte den Kopf. »Nein so was! Und der Krach, den sie macht! Und die Hitze hier!« Diederich, mit seiner Wirkung noch nicht zufrieden, fand einen Grund, um die Arbeiter anzudonnern; und wie Napoleon Fischer dazukam, war nur er schuld! Beide schrien gegen den Lärm der Maschine an, Guste verstand nichts; aber Diederichs geheime Angst sah in dem dünnen Bart des Maschinenmeisters immer das gewisse Grinsen, das an seine Mitwisserschaft in der Angelegenheit des Holländers erinnerte und die offene Verleugnung jeder Autorität war. Je heftiger Diederich sich gebärdete, desto ruhiger ward der andere. Diese Ruhe war Aufruhr! Schnaufend und bebend

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