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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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der Arbeiter gezählt hatte, konnte er sich jetzt eines Besseren belehren: vorausgesetzt, so fügte Nothgroschen hinzu, daß er im Gefängnis das sozialdemokratische Blatt zu lesen bekam. Denn das warf ihm vor, daß er durch seine leichtsinnige Majestätsbeleidigung mehrere hundert Arbeiterfamilien in ihrer Existenz gefährdet habe.
    Die »Netziger Zeitung« trug der veränderten Lage noch in anderer, sehr bezeichnender Weise Rechnung. Ihr Direktor Tietz wandte sich an das Heßlingsche Werk, wegen eines Teils der Papierlieferung. Die Auflage sei gestiegen und Gausenfeld zur Zeit überlastet. Diederich sagte sich sofort, daß dahinter der alte Klüsing selbst stecke. Er war beteiligt an der Zeitung, ohne ihn geschah dort nichts. Wenn er etwas aus der Hand ließ, fürchtete er offenbar, sonst noch mehr zu verlieren. Die Kreisblätter! Die Lieferungen für die Regierung! Angst vor Wulckow, das war es. Daß Diederich durch seine Zeugenaussage den Präsidenten auf sich aufmerksam gemacht hatte, mußte der Alte wohl erfahren haben — obwohl er kaum mehr in die Stadt kam. Die alte Papierspinne dort hinten in ihrem Netz, das über die Provinz und noch weiter gespannt war, witterte Gefahr und ward unruhig. »Er möchte mich abspeisen mit der ›Netziger Zeitung‹! Aber so billig tun wir's nicht. In dieser harten Zeit! Hat er 'ne Ahnung von meiner Großzügigkeit. Wenn ich erst Wulckow hinter mir habe: — ich beerbe ihn einfach!« sagte Diederich laut, mit einem Schlag auf das Schreibpult, so daß Sötbier emporschrak. »Hüten Sie sich vor Aufregungen!« höhnte Diederich. »In Ihren Jahren, Sötbier! Ich gebe zu, früher haben Sie manches geleistet für die Firma. Aber die Geschichte mit dem Holländer war schlimm; da haben Sie mich entmutigt, und jetzt hätte ich ihn nötig für die ›Netziger Zeitung‹. Sie sollten sich ausruhen, es gelingt nichts mehr.«
    Zu den Folgen, die der Prozeß für Diederich hatte, gehörte auch ein Brief des Majors Kunze. Dieser wünschte ein bedauerliches Mißverständnis aufzuklären und teilte mit, daß der Aufnahme des hochverdienten Herrn Doktors in den Kriegerverein nichts mehr im Wege stehe. Diederich, gerührt durch seinen Triumph, hätte am liebsten gleich die beiden Hände des alten Soldaten ergriffen. Glücklicherweise erkundigte er sich und erfuhr, daß der Brief auf Herrn von Wulckow selbst zurückzuführen war! Der Regierungspräsident hatte den Kriegerverein mit seinem Besuch beehrt und sich gewundert, den Doktor Heßling nicht dort zu finden. Da ward Diederich es inne, was für eine Macht er war. Er handelte demgemäß. Er antwortete auf die private Eröffnung des Majors durch ein offizielles Schreiben an den Verein und forderte den persönlichen Besuch von zwei Mitgliedern des Vorstandes, der Herren Major Kunze und Professor Kühnchen. Sie kamen auch; Diederich empfing sie, zwischen Geschäftsbesuchen, die er absichtlich auf diese Stunde gelegt hatte, in seinem Büro und diktierte ihnen die Adresse, von deren Überreichung er die Annahme ihres ehrenvollen Antrags abhängig machte. Darin ließ er sich bestätigen, daß er, mit glänzender Unerschrockenheit allen Verleumdungen trotzend, seine treudeutsche und kaisertreue Gesinnung bewährt habe. Durch sein Eingreifen sei es gelungen, den vaterlandslosen Elementen Netzigs eine empfindliche Schlappe beizubringen. Aus einem unter den größten persönlichen Opfern geführten Kampf sei Diederich als lauterer, echt deutscher Charakter hervorgegangen.
    Bei der Feier seiner Aufnahme verlas Kunze die Adresse, und Diederich, Tränen in der Stimme, bekannte sich unwürdig, so viel Lob entgegenzunehmen. Wenn in Netzig die nationale Sache Fortschritte mache, so sei dies, nächst Gott, einem Höheren zu danken, dessen erhabene Weisungen er seinerseits in freudigem Gehorsam ausführe ... Alle, auch Kunze und Kühnchen, waren bewegt. Es war ein großer Abend. Diederich stiftete einen Pokal — und er hielt eine Rede, worin er die Schwierigkeiten berührte, denen die neuen Militärvorlage im Reichstage begegnete. »Einzig unser scharfes Schwert«, rief Diederich aus, »sichert unsere Stellung in der Welt, und es scharf zu erhalten ist der Beruf Seiner Majestät des Kaisers! Wenn der Kaiser ruft, wird es herausfliegen aus der Scheide! Die Gesellschaft im Reichstag, die da was dreinreden will, mag sich hüten, daß es sie nicht zuerst trifft. Mit Seiner Majestät ist nicht zu spaßen, meine Herren, das kann ich Ihnen nur sagen.« Diederich

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