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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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erlaubt sein, daß jeder mittelmäßige Zeitgenosse ihm nachäfft. Im Glanz des Thrones mag einer seine zweifellos einzige Persönlichkeit spielen lassen, mag reden, ohne daß wir mehr von ihm erwarten als Reden, mag blitzen, blenden, den Haß imaginärer Rebellen herausfordern und den Beifall eines Parterres, das seine bürgerliche Wirklichkeit darüber nicht vergißt...«
    Diederich erbebte; und alle hatten die Münder offen und gespannte Augen, als bewegte Buck sich auf einem Seil zwischen zwei Türmen. Ob er stürzte? Sprezius hielt den Schnabel gezückt. Aber kein Zug von Ironie zeichnete die Miene des Verteidigers: es schwang sich etwas darin auf, wie eine erbitterte Begeisterung. Plötzlich ließ er die Mundwinkel fallen, grau schien es um ihn her zu werden.
    »Aber ein Netziger Papierfabrikant?« fragte er. Er war nicht gestürzt, er hatte wieder Boden unter den Füßen! Nun sah alles sich nach Diederich um, und man lächelte sogar. Auch Emmi und Magda lächelten. Buck hatte seine Wirkung, und Diederich mußte sich leider sagen, daß ihr gestriges Gespräch auf der Straße hierfür die Generalprobe gewesen sei. Er duckte sich unter dem offenen Hohn des Redners.
    »Die Papierfabrikanten neigen heute dazu, sich eine Rolle anzumaßen, für die sie nicht fabriziert sind. Zischen wir sie aus! Sie haben kein Talent! Das ästhetische Niveau unseres öffentlichen Lebens, das vom Auftreten Wilhelms II. eine so ruhmreiche Erhöhung erfahren hat, kann durch Kräfte wie den Zeugen Heßling nur verlieren... Und mit dem Ästhetischen, meine Herren Richter, sinkt oder steigt das Moralische. Erlogene Ideale ziehen unlautere Sitten nach sich, dem politischen Schwindel folgt der bürgerliche.«
    Buck hatte sein Organ streng gemacht. Zum ersten Male erhob er es nun bis zum Pathos.
    »Denn, meine Herren Richter, ich beschränke mich nicht auf die mechanistische Doktrin, die der Partei des sogenannten Umsturzes so teuer ist. Mehr Veränderung als alle Wirtschaftsgesetze erzeugt in der Welt das Beispiel eines großen Mannes. Und wehe, wenn es ein falsch verstandenes Beispiel war! Dann kann es geschehen, daß über das Land sich ein neuer Typus verbreitet, der in Härte und Unterdrückung nicht den traurigen Durchgang zu menschlicheren Zuständen sieht, sondern den Sinn des Lebens selbst. Schwach und friedfertig von Natur, übt er sich, eisern zu scheinen, weil in seiner Vorstellung Bismarck es war. Und mit unberechtigter Berufung auf einen noch Höheren wird er lärmend und unsolide. Kein Zweifel: die Siege seiner Eitelkeit werden geschäftlichen Zwecken dienen. Zuerst bringt die Komödie seiner Gesinnung einen Majestätsbeleidiger ins Gefängnis. Später findet sich, was daran zu verdienen ist. Meine Herren Richter!«
    Buck breitete die Arme aus, als solle seine Toga die Welt umfassen, er trug die gesammelte Miene eines Führers. Und er legte los, mit allem, was er hatte.
    »Sie sind souverän; und Ihre Souveränität ist die erste und stärkste. In Ihrer Hand ist das Schicksal des einzelnen. Sie können ihn in das Leben schicken oder ihn sittlich töten — was kein Fürst kann. Die Norm aber der Individuen, die Sie gutheißen oder verwerfen, bildet ein Geschlecht. Und so haben Sie Macht über unsere Zukunft. Bei Ihnen liegt die unermeßliche Verantwortung, ob künftig Männer wie der Angeklagte die Gefängnisse füllen und Wesen wie der Zeuge Heßling der herrschende Teil der Nation sein sollen. Entscheiden Sie sich zwischen den beiden! Entscheiden Sie sich zwischen Streberei und mutiger Arbeit, zwischen Komödie und Wahrheit! Zwischen einem, der, um selbst emporzukommen, Opfer verlangt, und dem andern, der Opfer darbringt, damit Menschen es besser haben! Der Angeklagte hat getan, was erst wenige vermochten: er hat sich seines Herrentums begeben, hat denen, die unter ihm standen, gleiches Recht zugebilligt, Behagen und Hoffnungsfreude. Und jemand, der in seinem Nächsten so sehr sich selbst achtet, sollte fähig sein, von der Person des Kaisers mit Nichtachtung zu sprechen?«
    Die Hörer atmeten. Mit neuen Gefühlen blickte man auf den Angeklagten, der die Stirn in die Hand stützte, auf seine Frau, die starr vor sich hinsah. Mehrere schluchzten. Der Vorsitzende sogar hatte eine betretene Miene. Seine Lider klappten nicht mehr; mit runden Augen saß er da, als hätte Buck ihn eingefangen. Der alte Kühlemann nickte achtungsvoll, und an Jadassohn zeigten sich unwillkürliche Zuckungen.
    Aber Buck mißbrauchte seinen Erfolg, er

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