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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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der eine Pflanze liefert, ist ein Mädchen schon dreimal weniger mißtrauisch. Obwohl, ein Farn ... Er hätte sich was Hübscheres aussuchen können. Ein Kretin, sage ich dir, ein gefährlicher Schwachsinniger.«
    »Farnkraut riecht immerhin gut. Hat er seine Fingerabdrücke noch woanders hinterlassen?«
    »Nein, nur auf den Blumentöpfen.«
    »Wie erklärst du dir das? Er bringt den Topf mit bloßen Händen, aber ansonsten hinterläßt er keinerlei Spuren? Und wenn er Handschuhe anzieht, um sie umzubringen, warum ist er dann nicht so schlau und nimmt den Topf hinterher wieder mit?«
    »Ich weiß. Wir haben auch schon dran gedacht.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Er kann sie niedergeschlagen, erwürgt und mit Stichen übersät haben, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen. Es ist ein Teppichboden, kein Parkett und kein Kunststoff. Vielleicht ist er auch ein solcher Kretin, wie ich dir gesagt habe, daß er schlicht und einfach an nichts gedacht hat. Das kann vorkommen.«
    »Warum nicht ...«, sagte Louis, dessen Gedanken sofort wieder zu dem kleinen Mann mit den leeren Augen schweiften, den Marthe wie eine kostbare Porzellanfigur schützte. Jetzt hatten sie vielleicht gerade die Geschichte fertig, und Marthe würde ihm sicher in dem winzigen Bad die Haare schneiden und sich anschicken, sie ihm mit eigenhändig gemischter Farbe zu färben.
    »Wie sieht er aus?« fragte Louis plötzlich.
    Loisel schlurfte erneut zu dem Metallschrank und zog einen weiteren Ordner heraus.
    »Es ist noch ganz frisch«, sagte er, als er ihn öffnete. »Es kommt gerade aus dem Computer. Sieben zuverlässige Zeugen, sag ich dir. Da, sieh dir an, ob dieser Dreckskerl nicht eine richtige Trottelvisage hat.«
    Loisel ließ das Porträt auf den Schreibtisch gleiten, und Louis zuckte zusammen. Es war von erschreckender Ähnlichkeit.
     

11
     
    Clement Vauquer hatte nicht einmal gegessen, er war eingeschlafen, unmittelbar nachdem Louis gegangen war. Seitdem schlief er zusammengerollt auf dem roten Federbett, und Marthe ging mit leisen Schritten in dem kleinen Zimmer umher - so leise sie konnte, denn Marthe war nicht sehr begabt für die Stille. Von Zeit zu Zeit ging sie zum Bett und betrachtete ihren Clement. Er schlief mit offenem Mund und hatte auf das Kopfkissen gesabbert. Das war nicht schlimm, sie würde die Wäsche wechseln. Sie verstand gut, daß er auf Louis unsympathisch hatte wirken können, sie sah sehr wohl, daß er häßlich war. Für die anderen ganz sicher, ohne Zweifel sogar. Das Problem war eben, daß sie seine Erziehung nicht hatte beenden können, das war es, was alles vermurkst hatte. Er war in Wirklichkeit anders, als er zu sein schien. Dieser verschlagene Eindruck war nur Unsicherheit, und sein etwas bösartiger Mund war reine Verteidigung. Seine Augen waren immer so gewesen, ein so dunkles Braun, daß man die Mitte nicht sah. So ein dunkles Braun ist doch hübsch, daraus könnten richtig verträumte Augen werden. Wenn man ihr ihren Clement eine Zeitlang lassen würde, dann würde sie es schaffen, ihn zu ändern, das wußte sie. Viel zu futtern, ein bißchen Sonne, und schon würde er bessere Haut haben und im Gesicht etwas voller werden. Sie würde ihm Geschichten vorlesen, sie würde ihm wieder beibringen, vernünftig zu reden anstelle dieses Kauderwelschs, das er weiß Gott wo aufgelesen hatte. Sie würde ihm beibringen, nicht alle naselang »persönlich« oder »ich selbst« zu sagen, als ob er gar nicht existieren würde und unbedingt in jedem Satz das Gegenteil beweisen müßte. Ja, sie wußte sehr gut, wie sie ihren kleinen Mann wieder auf die Beine bringen würde. Er war in eine schreckliche Geschichte hineingeraten, aber wenn er da rauskommen würde, dann würde sie ihn wieder auf die Beine bringen, ein Glück, daß er zu ihr zurückgekommen war. Sie würde ihn schönmachen. Die vergangenen sechzehn Jahre dürfte sich kaum jemand um ihn gekümmert haben. Sie würde ihn schönmachen, und Ludwig würde beeindruckt sein von ihrer Arbeit.
    Das erinnerte sie an ein Buch, das sie als kleines Mädchen besessen hatte, es hieß Wie die Häßliche schön wurde. Es handelte von einem kleinen, häßlichen Mädchen, das am Ende »voller Anmut« war, weil sich alle darum gekümmert hatten - warum eigentlich, das wußte Marthe gar nicht mehr: die Regentropfen, die Eichhörnchen, die Vögel und die ganzen Sachen, die es im Wald gibt; und schließlich war sie sogar Königin ihres kleinen Dorfes geworden. Das andere Buch, das sie

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