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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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gleichzeitig, Lucien stieß einen unartikulierten Laut aus, Mathias sagte nichts.
    »Außerdem muß ich euch noch sagen«, fuhr Marc mit derselben müden Stimme fort, »daß er heute abend bei uns schlafen wird. Er ist eingeladen.«
    »Was soll das heißen?« fragte Vandoosler der Ältere mit relativ munterer Stimme.
    »Ich geb euch schnell eine kurze Zusammenfassung.«
    Marc erhob sich und sah nach, ob die drei Fenster des großen Raums geschlossen waren.
    »Krisenstabsitzung«, murmelte Lucien.
    »Halt die Klappe«, erwiderte Mathias.
    Marc setzte sich wieder und begann mit seinen Erklärungen.
    »Der Scherenmörder, der Typ, von dem alle Zeitungen schreiben, hat sich zu der alten Marthe geflüchtet, die ihn verhätschelt hat, als er klein und unglücklich war. Marthe verteidigt ihn wie eine Löwin und erklärt, er sei unschuldig. Sie hat Louis gebeten, sich um die Sache zu kümmern. Aber wenn Louis das Püppchen den Bullen ausliefert, ist Marthe auch gleich dran. Das ist die alte Geschichte mit dem Kind und dem Bade, ich laß euch das Problem abwägen. Louis bringt uns den Mann heute abend, weil er Angst hat, er würde Marthe niedermetzeln, und es hier keine Frau gibt, keine einzige, dazu gratuliere ich niemandem. Nur vier mannhafte alleinstehende Typen, auf die er glaubt zählen zu können. Wir haben die Aufgabe, ihn in jeder Minute seines Lebens zu überwachen. So ist die Lage.«
    »Allgemeine Mobilmachung«, sagte Lucien und nahm sich noch von dem Gratin. »Erstmal müssen die Truppen verpflegt werden.«
    »Vielleicht klingt das ja lustig«, sagte Marc barsch und sah ihn an, »aber wenn du Marthe sehen würdest, die zehn Jahre älter geworden ist, wenn du den Typen sehen würdest, und vor allem, wenn du die beiden Frauen sehen würdest, die bereits dran glauben mußten, dann fändest du das weniger lustig.«
    »Ich weiß. Hältst du mich für blöd?«
    »Entschuldigung. Ich habe bei Madame Mallet heute jede einzelne Fliese geschrubbt, ich bin völlig alle. Jetzt, wo ich euch die Geschichte erklärt habe, mach ich Pause, esse was und erklär euch den Rest beim Kaffee.«
    Marc trank selten Kaffee, das machte ihn nervös, und alle waren sich darin einig, daß er das überhaupt nicht nötig hatte, denn er vermittelte schon in normalem Zustand den Eindruck eines Typen, der täglich seine zehn Tassen trinkt. Andererseits änderte der Kaffee auch an den lauten, erregten Reden von Lucien Devernois nichts, aber da Lucien ein ganz besonderes Vergnügen daran fand, Radau zu machen, hätte er sich um nichts in der Welt ein Aufputschmittel entgehen lassen. Mathias Delamarre dagegen, dessen Sanftmut bisweilen in beeindruckender, lang andauernder Stummheit gipfeln konnte, war so gebaut, daß er derlei Banalitäten gegenüber unempfindlich war. Also schenkte der Pate drei Tassen ein, während Marc versuchte, sein Bügelbrett auseinanderzuklappen. Mathias half ihm dabei. Marc machte das Bügeleisen an, zog einen großen Korb voller Wäsche in Reichweite und breitete sorgfältig eine kurzärmelige Bluse auf dem Brett aus.
    »Baumwoll-Viskose-Gemisch«, sagte er, »da muß man vorsichtig mit der Temperatur sein.«
    Dann nickte er, wie um sich leichter von diesem für ihn relativ neuen Grundsatz zu überzeugen, und erklärte die Einzelheiten der Geschichte mit Marthes Puppe. Von Zeit zu Zeit hielt er inne, um mit einer Sprühflasche seine Wäsche zu befeuchten, denn er hatte etwas gegen Dampfbügeleisen. Mathias fand, daß er sich sehr gut schlug. Seit drei Wochen brachte Marc jetzt Wäsche zum Bügeln mit nach Hause, und nicht selten saßen die vier Männer gemeinsam unten um das dampfende Bügelbrett versammelt, während Marc zwischen den Wäschestapeln seines Amtes waltete. Er hatte es sich genau ausgerechnet: Vier Stunden Putzen pro Tag und zwei Stunden Bügeln zu Hause würden ihm 7200 Franc im Monat einbringen. Das ließ ihm die Zeit, morgens an seinem Mittelalter zu arbeiten, und im Augenblick schaffte Marc es sehr gut, morgens die Pachtverträge des 13. Jahrhunderts auszuwerten und am Nachmittag loszustürmen, um den Staubwedel zu schwingen. Er, der von häuslichen Künsten nicht das geringste verstand, hatte sich eines Abends, als er zusah, wie Lucien den großen Holztisch im Refektorium mit einem weichen Lappen polierte, und hörte, wie er über seine Polierwachs-Leidenschaft schwadronierte, entschieden, nach zwölfjähriger Arbeitslosigkeit in der Mediävistik einen Beruf auszuüben. Er hatte Marthe um eine rasche

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