Der untröstliche Witwer von Montparnasse
wenn der Mörder unter allen Trotteln des Landes genau Clement wollte und keinen anderen. Das heißt, daß dieser Mörder ganz bewußt Clements Talent als Trottel nutzt, daß er zugleich aber einen persönlichen Haß auslebt. Er kennt Clement Vauquer, und er haßt ihn. All das natürlich nur unter der Voraussetzung, daß Marthe recht hat.«
»Apropos Marthe, sie muß ihn morgen besuchen kommen.«
»Das wäre nicht sehr klug«, sagte Louis.
»Ich habe es ihm versprochen, wir müssen das irgendwie hinkriegen. Sonst wird er irgendeine Möglichkeit suchen abzuhauen. Der Typ hält das nicht durch.«
»Er hält das nicht durch!« rief Louis. »Herrgott! Der Typ ist fast dreißig, verdammt!«
»Ich sag's dir, er hält das nicht durch.«
»Und die Sache mit den Mädchen, die er massakriert hat, na? Das hat unser Püppchen ja wohl auch durchgehalten!«
»Wir haben gerade gesagt«, bemerkte Marc und legte das kleine geblümte Kleid zusammen, »daß wir von Marthes Meinung, nein, von ihrer Gewißheit ausgehen. Wenigstens einen Tag lang, wenigstens, um ihn unter dieser Voraussetzung zu befragen. Und du hältst das nicht einmal zwei Minuten durch.«
»Du hast recht«, sagte Louis. »Wir müssen es einen Tag durchhalten. Ich komme ihn morgen gegen zwei Uhr besuchen.«
»Nicht früher?«
»Nein, vormittags gehe ich zum Kommissariat im 9. Arrondissement. Ich möchte mir gern die Fotos noch mal ansehen. Wer hält heute abend Wache?«
»Ich«, sagte Mathias.
»Eine ausgezeichnete Entscheidung«, sagte Louis zustimmend. »Bis morgen.«
»Ich komme noch ein Stück mit«, sagte Marc.
»Sag mal«, fragte Louis zögernd, »ich sehe, daß du Kleider bügelst. Gibt es bei euch eine Frau im Haus, oder was?«
»Wäre das denn so verblüffend?« fragte Lucien von oben herab.
»Nein«, antwortete Louis rasch. »Es ist nur ... wegen ihm, wegen Vauquer.«
»Ich habe gedacht, wir halten ihn für unschuldig«, sagte Lucien. »Also müssen wir uns keine Sorgen machen.«
13
Als sie draußen waren, gingen die beiden Männer schweigend die Straße entlang.
»Also was?« fragte Louis. »Ja oder nein?«
»Nein«, antwortete Marc schroff. »Es gibt keine Frau in der Baracke, auch nicht den Schatten einer Frau, es ist eine wahre Wüste. Das gibt dir aber noch lange nicht das Recht, in den Sand zu spucken.«
»Und die Kleider?«
»Das ist die Wäsche von Madame Toussaint. Ich nehme sie mir zum Bügeln mit nach Hause, das habe ich dir schon gesagt.«
»Stimmt, dein Job.«
»Ganz richtig, mein Job. Hast du irgend was einzuwenden?«
»Was ist eigentlich mit euch los?« fragte Louis und blieb stehen. »Ihr verbringt eure Zeit mit Rumschreien!«
»Wenn du die Baracke meinst, da ist das normal. Wir brüllen uns die ganze Zeit an. Lucien liebt das. Und Mathias rüttelt es ein bißchen auf, so daß wir alle was davon haben; es lenkt uns von unseren Sorgen ab, von unseren Geldgeschichten und unseren Geschichten von Kleidern ohne Frauen drin.«
Louis nickte.
»Glaubst du«, fuhr Marc fort, »daß es auch nur eine Chance gibt, daß die Puppe von Marthe nicht in die Sache verwickelt ist?«
»Es gibt mehr als eine. Warte, ich geh mal zu dem kleinen Brunnen da und komm gleich wieder. Ich muß Bufo naß machen.«
Marc zuckte zusammen.
»Du hast deine Kröte mitgenommen?« fragte er mit schriller Stimme.
»Ja, ich habe sie vorhin geholt. Es nervt sie, ständig in der Stiftablage zu sitzen, und wenn du nur eine Minute darüber nachdenkst, ist das verständlich. Ich muß das Tier ein bißchen an die frische Luft bringen. Ich bitte dich ja nicht darum, sie zu nehmen.«
Marc sah feindselig und angewidert zu, wie Louis seine große, gräuliche Kröte naß machte, ihr ein paar Ratschläge gab und sie wieder in der rechten Tasche seiner Jacke verschwinden ließ.
»Das ist widerlich«, war sein einziger Kommentar.
»Magst du ein Bier?«
Die beiden Männer setzten sich auf die Terrasse eines fast leeren Cafés. Wegen der Krötentasche achtete Marc sorgfältig darauf, sich links von Louis zu setzen. Es war halb zwölf, und ihnen war nicht kalt.
»Ich glaube, Marthes Puppe ist ein echter Trottel«, bemerkte Louis.
»Das denke ich auch«, sagte Marc und hob den Arm, um den Kellner zu rufen.
»In dem Fall wäre er nicht in der Lage, ganz allein die Geschichte von dem Restaurantbesitzer zu erfinden, nicht einmal, um seine Haut zu retten.«
»Ja. Den Typ gibt es.«
»Welchen Typ?«
»Na, den, der das Püppchen steuert«, sagte Marc, der
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