Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
dritten Opfer mach ich mir nicht allzu große Sorgen. Salut, Deutscher, und danke noch mal für ...«
    Loisel spreizte die Finger und hielt sie sich wie einen Telefonhörer ans Ohr.
    »Nicht der Rede wert«, sagte Louis knapp.
    Auf der Straße holte er erst mal tief Luft. Er stellte sich kurz vor, wie Loisel sich anschickte, ihn verfolgen zu lassen, und wie er ihn, ohne irgend etwas zu bemerken, leicht hinkend direkt zur Bruchbude in der Rue Chasle führte. Er malte sich die Begegnung Loisel-Vauquer unter dem Dach eines verkommenen Ex-Bullen und dreier zweifelhafter Evangelisten aus, und dachte, daß das wohl nicht das Allerbeste sei, was seiner Karriere passieren könne. Eine Karriere, die er, wie ihm plötzlich einfiel, eigentlich kürzlich aufgegeben hatte. Er vergewisserte sich, daß ihm keiner von Loisels Leuten auf den Fersen war. Es war ihm nur ein einziges Mal in seinem Leben passiert, daß er eine Beschattung nicht bemerkt hatte.
    Er dachte noch mal an die Fotos, während er langsam zur Bushaltestelle lief. Es war jetzt nicht der Moment und nicht die Zeit, Paris zu Fuß zu durchqueren, und außerdem tat ihm sein Knie weh. Gut und schön, aber da waren doch Spuren neben den Köpfen der beiden Frauen? Was waren das für Spuren? Bei dem ersten Opfer waren sie kaum sichtbar, bei dem zweiten dagegen sehr deutlich. Irgend etwas hatte der Typ neben ihren Köpfen gemacht.
    Die Fahrgäste im Bus waren in ihre Zeitung vertieft, prüften das Gesicht von Clement Vauquer und kramten in ihren Erinnerungen. Die Bullen konnten ruhig noch eine Weile warten, bevor sie ihn im Hinterzimmer der Evangelisten ausfindig machen würden. Im Augenblick gab es erst sechs Menschen, die seinen Namen kannten. Nein, acht. Da waren die beiden Prostituierten aus der Rue Delambre. Louis knirschte mit den Zähnen.
     

15
     
    Gisele lehnte mit dem Rücken an der Wand ihres Hauses in der Rue Delambre und runzelte ihre dicken Augenbrauen, während sie in die Zeitung sah.
    »Scheiße auch«, brummelte sie, »ich irre mich doch nicht. Das ist er. Entschuldige, aber das ist er.«
    Gisele schwankte unter dem Eindruck dieser Überraschung. Sie mußte nachdenken. Der Kleine von Marthe war ja nicht gerade zimperlich. Sie hatte ganz schön was zum Nachdenken.
    Ein Kunde näherte sich mit langsamen Schritten. Sie erkannte ihn wieder, sie sah ihn etwa einmal im Monat. Als er in ihrer Nähe war, schüttelte sie ablehnend den Kopf.
    »Nicht, daß ich's mir groß erlauben könnte, Leute abzulehnen«, sagte Gisele, »aber ich kann nicht. Da mußt du wiederkommen.«
    »Warum? Wartest du auf einen anderen?«
    »Ich kann nicht, sag ich dir!« sagte Gisele lauter.
    »Warum kannst du nicht?«
    »Weil ich nachdenke!« brüllte Gisele.
    Anstelle einer Antwort ging der Typ seltsamerweise sofort wieder weg. Komisch, sagte sich Gisele, Männer mögen denkende Frauen nicht allzusehr. Und da haben sie gar nicht unrecht, denn wenn ich denke, darf man mich nicht nerven.
    Die junge Line, die Gisele hatte schreien hören, war von ihrer Straßenecke herübergekommen.
    »Hast du Ärger, Gisele?«
    »Nein, ich hab keinen Ärger. Lieb von dir, aber wenn ich dich brauche, meld ich mich bei dir.«
    »Sag mal, Gisele«, fuhr Line fort, »ich denke da seit heute morgen über eine merkwürdige Sache nach.«
    »Denk nicht zuviel nach, das verscheucht die Kundschaft.«
    »Hast du nicht in die Zeitung gesehen?«
    »Wie, die Zeitung? Doch, hab ich. Und weiter?«
    »Der Typ, den sie wegen dem Mord an den beiden Mädchen suchen ... Hast du dir den angesehen?«
    »Hm, ja.«
    »Sagt er dir nichts?«
    »Nein«, sagte Gisele nachdrücklich.
    »Aber Gisele, denk doch mal nach ... Das ist der Typ von neulich, der Akkordeonspieler, der die alte Marthe gesucht hat. Ich schwör's dir!«
    »Schwör nicht! Das ist nicht gut.«
    Gisele schlug heftig noch einmal die Zeitung auseinander und besah sich das Phantombild.
    »Aber nein, meine kleine Line, das ist er nicht. Entschuldige, aber das ist er überhaupt nicht. Er hat auch so einen scheelen Blick, ja, das bestreite ich gar nicht, aber ansonsten haben die beiden überhaupt nichts miteinander zu tun. Nicht das Geringste. Entschuldige.«
    Von der Sicherheit der dicken Gisele verwirrt, sah Line sich erneut das Bild an. Aber sie war doch nicht beknackt. Das war doch derselbe Typ! Und Gisele, die immer recht hatte, Gisele, die ihr alles beigebracht hatte ...
    »Na, was ist?« Gisele nahm das Gespräch wieder auf. »Du wirst doch nicht auf ewig wie

Weitere Kostenlose Bücher