Der untröstliche Witwer von Montparnasse
Lucien und breitete die Arme aus, »wenn du das so siehst.«
Er öffnete die Anrichte und ließ die Schere hinter einen Stapel Geschirrtücher fallen.
»Die Männer von der Truppe sind heute abend nervös«, murmelte er. »Das muß an der Hitze liegen«.
Vandoosler der Ältere öffnete Kehlweiler und Marthes Schützling die Tür.
»Komm rein«, sagte er zu Louis. »Wir brüllen uns heute abend ein bißchen an, beachte das nicht weiter. Die Ankunft des jungen Mannes erschüttert das Schiff.«
Vauquer hielt den Kopf gesenkt, und niemand machte sich die Mühe, ihn zu begrüßen oder sich vorzustellen. Louis forderte ihn auf, sich zu setzen, indem er ihn mit einer Hand im Rücken zum Tisch führte, und Vandoosler machte sich daran, den Kaffee aufzuwärmen.
Nur Marc ging mit interessiertem Ausdruck auf Clement zu und befühlte mehrfach dessen kurze, dunkelbraune Haare.
»Das ist gut«, sagte er. »Das ist sogar sehr gut, was Marthe mit dir gemacht hat. Zeig mal hinten.«
Der Mann beugte seinen Kopf vor und hob ihn dann wieder.
»Tadellos«, bemerkte Marc. »Sie hat dich auch ein bißchen geschminkt ... Sehr gut. Das ist verdammt gute Arbeit.«
»Die war auch nötig«, sagte Louis. »Wenn du das Phantombild sehen würdest ...«
»Gelungen?«
»Sehr. Solange er nicht einen Zehntagebart hat, verläßt der Typ nicht das Haus. Es wäre klug, wenn wir eine Brille für ihn fänden.«
»Ich habe eine«, sagte Vandoosler. »Eine ziemlich große Sonnenbrille. Die paßt zur Jahreszeit, versteckt gut und tut ihm nicht in den Augen weh.«
Sie warteten schweigend, bis der Pate seine vier Stockwerke hochgestiegen war. Clement Vauquer rührte geräuschvoll im Kaffee, ohne ein Wort zu sagen. Marc hatte den Eindruck, er würde gleich anfangen zu heulen vor Angst, jetzt ohne Marthe, unter lauter Fremden.
Der Pate brachte die Brille, und Marc probierte sie vorsichtig auf Clements Gesicht aus.
»Mach die Augen auf«, sagte er. »Fällt sie dir auch nicht runter?«
»Wie runterfallen?« fragte Clement zögernd.
»Die Brille.«
Clement schüttelte den Kopf. Er wirkte erschöpft.
»Trink deinen Kaffee aus, ich zeig dir dein Zimmer«, fuhr Marc fort.
Er nahm Clement beim Arm, führte ihn in das kleine Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
»So. Das ist jetzt erst mal dein Zuhause. Versuch nicht, die Fensterläden zu öffnen, sie sind von draußen blockiert. Es braucht dich hier keiner zu sehen. Versuch auch nicht abzuhauen. Willst du etwas zu lesen?«
»Nein.«
»Willst du ein Radio?«
»Nein.«
»Dann schlaf.«
»Ich werd's versuchen.«
»Hör mal ...«, sagte Marc leiser.
Da Clement ihm nicht zuhörte, faßte er ihn an der Schulter.
»Hör mal«, wiederholte er.
Dieses Mal erreichte er seinen Blick.
»Marthe kommt dich morgen besuchen. Das verspreche ich dir. Du kannst jetzt wirklich schlafen.«
»Persönlich?«
Marc wußte nicht, ob die Frage Marthe betraf oder das Schlafen.
»Ja, persönlich«, bestätigte er aufs Geratewohl.
Clement schien erleichtert und rollte sich auf dem kleinen Bett zu einer Kugel zusammen. Etwas betreten ging Marc in den großen Raum zurück. Er wußte im Grunde genommen nicht, was er von dem Typen halten sollte. Mechanisch ging er in sein Zimmer und suchte ihm ein T-Shirt und ein Paar Shorts zum Schlafen. Als er die Tür wieder öffnete, um ihm die Sachen zu bringen, war Clement bereits vollständig angezogen eingeschlafen.
Marc legte die Sachen auf den Stuhl und schloß leise die Tür.
»Das wäre erledigt«, sagte er, als er wieder an dem großen Tisch Platz nahm. »Er schläft persönlich.«
»Anscheinend habe ich ihn mit meiner Fragerei ermüdet«, bemerkte Louis. »Marthe beschuldigt mich, ihm sein gesamtes Hirn zu ruinieren. Ich warte bis morgen, bevor ich weitermache.«
»Was erwartest du noch?« fragte Marc. »Wir sind doch mit allen Fragen durch.«
»Nicht, wenn Marthe recht haben sollte.«
Marc erhob sich, stellte sein Bügeleisen wieder an und nahm ein geblümtes Kleid aus dem Korb.
»Drück dich deutlicher aus«, sagte er und glättete sorgfältig den Stoff auf dem Brett.
»Wenn Marthe recht hat, wenn Clement Vauquer als Prügelknabe dient, dann hat man ihn sich sorgfältig ausgesucht. Wegen seiner Eigenschaft als Trottel, ganz ohne Zweifel, aber nicht nur deswegen. Trottel findet man massenweise in Paris, und es wäre ein bißchen viel Arbeit, einen in Nevers zu suchen und ihm hier ein Hotelzimmer zu mieten. Diese Komplikationen haben nur dann einen Sinn,
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