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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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was nichts Gutes verhieß.
     
    »Salut, Sohn des Rheins, ich bin um acht losgefahren, um der ältesten Tochter (Du weißt welche) einen weiteren Besuch abzustatten und dabei auch die Gebäude in ihrer Umgebung zu besuchen, denen ich gestern meine Reverenz nicht erweisen konnte. Ich stehe zwischen 14 Uhr 30 und 15 Uhr 30 auf der alten Brücke. Wenn ich dich nicht sehe, fahre ich mit dem Zug nach Hause. Falls deine Kröte vorhaben sollte, sich wieder an die Ufer der Loire zu verziehen, dann versuch sie nicht um jeden Preis daran zu hindern.
    Marc.«
     
    Verärgert schüttelte Louis den Kopf. Wie konnte man nur im Morgengrauen aufstehen, um sich eine Kirche anzusehen, die man bereits am Vortag gesehen hatte - das überstieg sein Fassungsvermögen. Marc verschwand in der Fallgrube seines verdammten Mittelalters und würde jetzt zu nicht mehr viel nütze sein. Louis faltete die zweite, sehr viel weniger ausführliche Nachricht auseinander. Er hatte am Morgen einen Anruf von Jean-Michel Bonnot erhalten, mit der Bitte, so bald wie möglich in seinem Laden vorbeizukommen.
    Louis fand den Laden des Furchtsamen Patissiers ohne Schwierigkeiten. Seine Frau führte ihn in die stickige Backstube im Keller, wo es nach Butter und Mehl roch. Das erinnerte ihn daran, daß er noch nicht gefrühstückt hatte, und Bonnot, der ein noch röteres Gesicht hatte als am Vorabend und ihn sichtlich ungeduldig erwartete, brachte ihm zwei noch heiße Croissants.
    »Ist es Ihnen wieder eingefallen?« fragte Louis.
    »Ganz richtig«, erwiderte Bonnot und rieb sich die Hände, um sie vom Mehl zu reinigen. »Unmöglich, gestern abend auch nur ein Auge zuzutun. Ständig ist mir die arme kleine Nachbarin im Kopf rumgegangen wie ein Gespenst. Ich bin völlig erledigt.«
    »Ja«, sagte Louis. »Ich weiß, wie das ist.«
    »Meine Frau hat gesagt, das liegt am Mond, aber ich weiß genau, daß das wegen der Nachbarin war. Ist ja logisch, nach all Ihren Geschichten.«
    »Tut mir leid.«
    »Dann habe ich plötzlich gegen zwei Uhr morgens wieder alles vor mir gesehen. Jetzt weiß ich, warum ich gedacht habe, daß es eine Frau war.«
    Louis richtete den Blick unverwandt auf den Mann.
    »Schießen Sie los«, sagte er.
    »Sie werden ganz schön enttäuscht sein, aber Sie haben mich ja gebeten, Ihnen Bescheid zu geben.«
    »Schießen Sie los«, wiederholte Louis.
    »Wenn Ihnen so daran liegt. Als ich in das Zimmer gekommen bin, kauerte der Mörder in seinem dicken Mantel neben Claire. Es war alles voller Blut, und ich bekam Panik. Er hat mich gehört und sich nicht einmal mehr nach mir umgedreht, er ist aufgesprungen und hat mich umgerannt. Aber direkt davor, vielleicht eine Zehntelsekunde davor, hat er was vom Teppich aufgehoben. Und dieses Etwas war ein Lippenstift.«
    Bonnot hielt inne, um Louis mit scheelem Blick zu beobachten.
    »Fahren Sie fort«, sagte Louis.
    »Na ja, das ist alles. Der Lippenstift und dann noch der Damenstrumpf, der auf dem Boden rumlag, da hab ich mir das eben so zusammengereimt. Ich bin ihr hinterhergerannt, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, es könnte ein Mann sein.«
    »Das klingt plausibel.«
    »Aber ich frage Sie: Wenn es ein Mann war, was hatte der dann mit einem Lippenstift zu schaffen?«
    Sie schwiegen eine Zeitlang. Nachdenklich aß Louis sein zweites Croissant.
    »Wo hat er den Lippenstift aufgelesen?«
    Der Mann zögerte.
    »Neben dem Kopf? Neben dem Körper?«
    Bonnot fummelte mit gesenktem Blick an seiner Brille herum.
    »Neben dem Kopf«, sagte er.
    »Sicher?«
    »Ich glaube.«
    » Auf welcher Seite?«
    »Rechts von ihrem Gesicht.«
    Louis spürte, wie sein Herzschlag sich leicht beschleunigte. Bonnot sah erneut zu Boden. Mit dem Fuß zeichnete er Kreise in den Mehlstaub.
    »Haben Sie den Lippenstift von der Eingangstür aus wirklich gesehen?« fragte Louis hartnäckig weiter.
    »Gesehen nicht«, gab Bonnot zu. »Aber man kann Dinge von weitem erkennen. Es war bordeauxrot und silbern und hat ein leises metallisches Geräusch in seiner Hand gemacht. Als ob es gegen Ringe stoßen würde. Genau wie bei meiner Frau, wenn sie ihren Lippenstift aufhebt. Er fällt ihr ständig runter, ich weiß nicht, wie sie das anstellt. Ich habe ihn nicht wirklich gesehen, nein, aber ich habe die Farben wahrgenommen und das Klicken gehört. Und bei mir bedeutet so was Lippenstift. Auf jeden Fall habe ich wegen dem Ding an eine Frau gedacht.«
    »Danke«, sagte Louis, noch immer nachdenklich, und gab ihm die Hand. »Ich will Sie nicht

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